piwik no script img

AusgestelltDas Geheimnis von Großmutters Schrank

■ Eine Ausstellung in Oldenburg erzählt von der Enteignung jüdischer Bürger

Großmutters schöner Schrank! Oft schon bewundert und doch - vielleicht ist seine Herkunft nicht ganz so sauber, wie Oma sie immer gehalten hat. Unter dem Bergiff ,“Ausländische Möbel“ oder „Hollandmöbel“ konnten Oldenburger BürgerInnen Möbel von deportierten oder emigrierten Juden billig kaufen. Die Herkunft der Möbel war ein „offenes Geheimnis“. So lautet denn auch der offizielle Titel einer Oldenburger Ausstellung. Untertitel: ,Arisierung in Alltag und Wirtschaft in Oldenburg zwischen 1935 und 1945.

„Wir wollen keine Ausstellung über Juden machen, sondern über die Situation in Oldenburg zur Zeit des Nationalsozialismus. Wir hoffen, durch den lokalen Bezug nachdenklich zu machen“, erklärt Ausstellungs-Koordinator Fraschid Zahedi. Sein Ziel war es, ein für viele weit entferntes Thema wie Arisierung lebendig und „begreifbar“ aufzuarbeiten.

Optisch einfache Mittel helfen dabei. „Zeiträder“ lassen sich drehen, Fotos der enteigneten Häuser statt rein schriftliche Auflistungen lassen ein Bild entstehen. In einer Straßenkarte stecken bunte Stecknadeln - unmittelbar sind die früheren Wohnungen von jüdischen Bürgern zu erkennen.

Inhaltlich wird die „Arisierung“, der Raub und die Enteignung von jüdischem Eigentum durch vier Oldenburger Hauptfiguren, ihre Familien und deren Schicksal lebendig gemacht. Gustav Thal führte drei Fotogeschäfte in Oldenburg. Als 1933 die Nazis zum Boykott jüdischer Läden aufriefen, erkannte Thal: „Da bleibt nur Verhungern oder Flucht“. Thal konnte sein Geschäft mit einem niederländischen Fotografen tauschen. In der Tageszeitung erschien dann eine Übernahme-Anzeige mit den Worten „Unter neuer Führung“.

Alle jüdischen Geschäfte in Oldenburg wechselten bis 1940 für Spottpreise ihre Besitzer, verkauft an die „Arier“. Als der letzte Frisör sein Haus zwangs-verkauft hatte, hieß es offiziell: „Damit ist die Entjudung der gewerblichen Wirtschaft im Gebiet der Stadt Oldenburg restlos durchgeführt“.

Wer wie Gustav Thal emigrieren konnte oder zur Emigration gezwungen wurde, musste eine Art Reisezoll bezahlen. Thal schrieb später: „Wir hatten 160 Gulden. An der Grenze zerschnitten sie unser Sofa, die Fahrradreifen, weil sie nach Geld suchten. Die Durchsuchung dauerte zwei Tage und kostete 80 Gulden.“

Die Möbel der verlassenen jüdischen Wohnungen aus Deutschland und den besetzten Gebieten wurden per Eisenbahn verschickt und in den Städten zum Verkauf angeboten. Oldenburg erhielt 884 solcher Wagons - in Bremen kamen 134 Wagons an.

Sandra Voß

Die Ausstellung „Ein offenes Geheimnis“ ist noch bis zum 27. Mai zu sehen, Steinweg 23, Oldenburg, Tel.: 0441/12180. Täglich geöffnet außer Dienstag von 10-19 Uhr. Vom 27. Mai bis zum 1.Juli ist die Ausstellung nur an den Wochenenden, jeweils samstags und sonntags von 14-19 Uhr geöffnet. Gruppen oder Schulkassen können andere Termine absprechen

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen