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Der SPD stirbt die Basis langsam weg

■ Nachwuchssorgen bei der Bremer SPD: Keiner will mehr in die Partei und die Alten sterben aus / Diskussion und Beteiligung fehlen vor allem den Jungen

Die Krise verbirgt sich hinter Diagrammen, Jahresvergleichen und statistischen Zahlenspielen: Jedes Jahr werden die roten Balken der SPD-Mitglieder ein bisschen kürzer – und mit jedem Mal verliert die Partei einige hundert GenossInnen. Allein in den letzten zehn Jahren sind hier die Sozialdemokraten um 4.000 Mitglieder (40 Prozent) geschrumpft. Bremen ist damit bundesweit der Landesverband mit den höchsten Verlusten.

Jedes Vierteljahr ist inzwischen Zahlentag beim Landesvorstand der SPD. Dann stehen neue Diagramme mit Abwärtstrend auf der Agenda. Denn das Problem ist hausgemacht: Die noch verbliebenen 7.000 Bremer Genossen sind meist zu alt. Über 40 Prozent sind 60 Jahre und älter. „Uns sterben die Leute schlicht weg“, klagt man im Parteibüro.

Aber Nachwuchs ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: „Die Nachwuchsarbeit hat man hier regelrecht verschlafen“, klagt Sabrina Klingenberg, Vorsitzende der Jusos in Bremen-Nord: Für Neue fühlt sich niemand zuständig. Und überhaupt ist das erste Mal im SPD-Ortsverein eher furchterregend: „Da stößt ein 30-Jähriger auf eine Gruppe 60-Jähriger, alles alte Bekannte. Die Tagesordnung wird – Hand hoch, Hand runter – abgearbeitet. Und das war's“, beschreibt eine Genossin. Tatsächlich kann man junge SPD-Mitglieder heute fast einzeln abzählen. 125 sind es im ganzen Land – nicht mehr als zwei Prozent aller Mitglieder. Auch in der Alterssparte zwischen 25 und 35 sind es magere sieben Prozent.

Aber woher kommt die Krise in der ehemaligen Hochburg der Sozialdemokratie? Den anderen Parteien in Bremen geht da nämlich besser: Die Grünen (500 MitgliederInnen) und CDU (3.750) hatten jeweils einen leichten Zuwachs im vergangenen Jahr. Für Geschäftsführer Roland Pahl erklärt sich die SPD-Misere getreu dem Motto „Wer viel hatte, verliert eben auch viel“. Und multipliziert das Ganze mit Politikverdrossenheit und den gleichen Nachwuchssorgen, die inzwischen jeden Sportverein plagen. „Parteien als traditionelle Institutionen sind eben nicht trendy.“

Andere Genossen gehen in der Analyse weiter. Herbert Brückner, Ex-SPD Chef und inzwischen Umwelt-Beauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche hat schon vor 15 Jahren eine Studie zum Mitgliederschwund in Bremen geschrieben. Viel verändert hat sich seither nicht, die alten Thesen treffen immer noch.

Zum Beispiel, dass sich Bremens hauptberufliche Politiker immer mehr von ihren Ortsvereinen entfernen. „Heute ist es doch so: Nicht der Ortsverein kontrolliert die Abgeordneten, sondern die Abgeordneten ,halten' sich ihren Ortsverein zwecks Wiederwahl“, moniert Brückner. Kein Wunder, dass am Ende „ein Insiderkreis Politik macht und die Partei außen vor bleibt“. Und dann keiner mehr in die Partei will. Laut Brückner wird unter der „Ohnmacht der großen Koalition“ in der SPD zuwenig diskutiert, zu wenig kontrolliert. Die Partei müsse endlich eine „Streitkultur entwickeln“, in der sich auch Junge einbringen können und bleiben wollen.

Damit fahren die Jung-Sozialis-ten in Bremen Nord inzwischen sehr gut: Sie haben binnen eines Jahres ihre Mitglieder mehr als verdoppelt. „Es stimmt nicht, dass Jugendliche kein Interesse an Politik haben“, meint Klingenberg: „Es kommt vor allem auf das Thema an.“ Die Vegesacker haben einen festen Ansprechpartner für Neuzugänge, einen „Reiseführer durch den Unterbezirk“, und laden einmal im Monat zu einem lockeren politischen Stammtisch. Auch in der Mutterpartei will man jetzt auf die Jugend zugehen. Im Herbst wird eine „Jugend-Initiative“ gestartet. Außerdem können sich politinteressierte Surfer inzwischen Mitglieds-Formulare der SPD downloaden. pipe

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