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göttinger bernstein

Wie wollen wir leben? Und wo? In Göttingen? In Gö, wie Gö weg!? Och nö. Und ist auch gar nicht nötig, denn der großherzige F.W. Bernstein alias Fritz Weigle hat das schon stellvertretend für uns erledigt. Von 1972 bis 1984 war der Dichter und Zeichner als Kunsterzieher zu Gast in der niedersächsischen Kleinstadt mit studentischem Überquill. Der noch immer in Göttingen hausende Komikakademiker Peter Köhler hat eine Auswahl von Bernsteins Göttinger Arbeiten ediert, den Nachgeborenen zum Grusel und zur Freude: „Der Untergang Göttingens und andere Kunststücke in Wrt & Bld“. Das optimistisch stimmende Versprechen im Titel wird divers eingelöst. Bernstein lässt Professor Adorno seinen Kollegen Horkheimer korrigieren: „Es gibt kein richtiges Leben in Flaschen.“ Jedenfalls nicht bei Korkheimers. Doch nicht nur schön albern ist das Büchel, sondern auch lehrreich: Man sieht den Zeichner schlingern zwischen Hochschulbürokratie inklusive Forschungsverbot und freier Blättchenwildbahn. Kraft seiner poetischen Weltsicht gelingt es Bernstein, in diesen Niederungen nicht zu versumpfen noch zu versauern. Er beschreibt seine Arbeitsweise so: „Offenen Auges tun, was für die Katz ist.“ Dankenswerterweise erfährt man auch, was ein „Ssmökemoul“ ist: „ ‚Dat Ssmökemoul‘ ist ein traditioneller Schimpf- und Neckname der Esebecker, denen die Folklore den Versuch nachsagt, einer Sau eine dicke Zigarre ins Maul zu stecken und ‚denn hinne undern Sswanze so lange ssukkeln, bet et vorne an de Ssnute dampede ...‘ “ So sehe ich ihn gern, den Statusraucher, hinter der Sau knieend, ihr an der Pupe saugend, ziehend, ziehend, doch kein Rauch stellt sich ein, niemals, nur die Sau spricht mahnend: „Nicht so schlapp da hinten, Herr Schröder, es gibt kein Recht auf Faulheit, nöch ...“ So soll er leben: als Sisyphus für Heiopeis. WIGLAF DROSTE

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