: Brauner Müll im Hohen Hause?
Trotz Schill: Rechtsextreme Chancen bei Hamburg-Wahl ■ Von Peter Müller und Andreas Speit
Die Antifa-Müllabfuhr war schnell zur Stelle, um den „braunen Müll“ einzusammeln. Und die Polizei tat ihr Übriges, indem sie am Pfingstsamstag auf der Mönckebergstraße mit massiven Kräften den Info-Stand der rechtsextremen „Deutschen Volksunion“ (DVU) so sehr schützte, dass sich „der Bürger“ nicht zur Bürgersprechstunde mit DVU-Spitzenkandidat Heinrich Gerlach traute.
Trotz der vermiesten Stippvisite von nur 30 Minuten ist das Konzept der Rechts-Partei aufgegangen, konnte die DVU doch für ihren Auftritt mit Genehmigung der Behörden die Stadt schon dreieinhalb Monate vor der Wahl mit tausenden Plakaten und nationalen Parolen pflastern: „Keine Deutschen Soldaten in fremde Kriege...“
Die DVU ist nicht nur wegen der Millionen ihres Münchner Parteichefs und Verlegers der Deutschen National Zeitung, Gerhard Frey, die aussichtsreichste Partei am rechten Rand. Nachdem sie 1997 mit 4,97 Prozent arg knapp den Einzug in die Bürgerschaft verpasste, will die DVU es nun schaffen. „Die DVU wird alle Kräfte einsetzen“, droht Frey-Vize Bruno Wetzel.
So verlassen sich die rund 350 Hamburger Mitglieder auch nicht alleine auf Massenpostsendungen, sondern gehen mit ihren klassischen „Deutschland den Deutschen“-Parolen auf die Straße. In vier Jahren Bezirksarbeit in Bergedorf, Wandsbek, Harburg und Mitte entwickelte sich aus der „Phantompartei“ der Postwurfsendungen eine reale Partei, die monatliche „Klönschnacks“ durchführt.
Um so verbitterter reagierte die DVU-Spitze auf den Beschluss der Republikaner (REP), erneut für die Hamburger Wahlen zu kandidieren. Denn 1997 hatte die DVU den REPs viele Wähler abspenstig machen können, nun beschimpft sie diese sogar als „Agenten der Gegenseite“. Damit sie nicht wieder nur 1,9 Prozent bekommen, wechselten die REPs noch schnell die Führung aus. Die etwa 60 Mitglieder wählten Thomas Nissen zum Vorsitzenden und Klaus Riese sowie Michael Schumann zu Stellvertretern. Riese und Schumann gehörten zuvor dem „Arbeitskreis Innere Sicherheit“ der Schill-Partei an. Die REP-Forderung „Geschlossene Heime für jugendliche Straftäter“ dürfte ihnen die Abkehr von Schill leicht gemacht haben.
Weniger um den Einzug in die Bürgerschaft am 23. September als um den Erhalt des Parteienstatus geht es wohl der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD). 1997 erreichte die NPD mit ihrem Landesvorsitzenden Ulrich Harder und etwa 100 Mitgliedern in der Hansestadt nur 0,1 Prozent. Auch die Deutschen Konservativen sowie die rechtslastige „Initiative Pro-D-Mark“ (PRO) und die „Ökologisch-Demokratische Partei“ (ÖDP) kandidieren im Null-Komma-Bereich.
Rechte bis neofaschistische Parteien gewannen bei der Bürgerschaftswahl im September vor vier Jahren insgesamt 8,2 Prozent. Widersprüchliche Meinungsumfragen streiten darum, ob die Schill-Partei Zulauf aus diesem Spektrum einheimsen oder ob sie ihr Wählerpotential aus den rechten Flügeln von SPD und CDU abschöpfen kann. DVU und REP können aber ziemlich sicher sein, dass sich aufgrund der Wahlkampfkostenrückerstattung eine Kandidatur für sie lohnt: Geld vom Staat gibts ab einem Prozent.
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