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Merkel tritt Diepgen

CDU-Parteichefin Merkel drängt Diepgen zu „schnellstmöglichen Neuwahlen“: Wenn möglich im September. Steffel keilt zurück: Brauchen zu Termin und Kandidaten „keine Ratschläge von außen“

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Zwischen der CDU-Bundespartei und der Berliner Unionsfraktion ist ein Streit um den Neuwahltermin entbrannt. Während die Fraktion im Abgeordnetenhaus gemeinsam mit Parlamentspräsident Reinhard Führer (CDU) bisher den von der SPD und den Oppositionsparteien geforderten Wahltermin am 23. Spetember ablehnt, hat sich die Parteispitze gestern für „schnellstmögliche“ Neuwahlen in der Stadt ausgesprochen.

CDU-Chefin Angela Merkel sagte nach einer Sitzung des Präsidiums, an der auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen teilgenommen hatte, jeder Aufschub des Votums bedeute ein falsches Signal. Die CDU solle dem Eindruck entgegenwirken, dass sie Neuwahlen „verzögern möchte“. Außerdem müsse verhindert werden, dass sich der rot-grüne Übergangssenat etabliere. Der Termin im September darf nach Ansicht Merkels nicht ausgeschlossen werden.

Die Berliner CDU-Fraktion dagegen lehnt den von SPD, Grünen und PDS anvisierten frühstmöglichen Wahltermin im September – der laut Verfassung 16 Wochen nach der geplanten Abwahl Diepgens und der Neuwahl Wowereits (SPD) zum Regierenden an diesem Wochenende stattfinden könnte – noch ab und plädiert für einen späteren Wahlgang im Herbst. Die Union werde über Terminfragen, so Fraktionschef Frank Steffel gestern, erst nach dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Diepgen entscheiden und bis dahin „abwarten“.

CDU-Fraktionssprecher Markus Kaufmann betonte, es gebe „gute Gründe, über einen Termin erst nach der Neuwahl des Regierenden Bürgermeisters und des Senats zu reden“. Ob sich die CDU in der nächsten Woche zu einem Neuwahltermin durchringen werde, ließ der Sprecher gegenüber der taz offen. Ein gestern zu dem Thema anberaumtes Gespräch mit den im Parlament vertretenen Fraktionen hatte die CDU platzen lassen.

Gezänk zwischen der CDU-Parteispitze und der Fraktion bestimmte gestern auch die Frage über die Nominierung des Spitzenkandidaten. „Wir brauchen keine Hilfe von außen, was Ratschläge betrifft“, sagte Steffel. Er kritisierte die Debatte, den früheren CDU-Chef Wolfgang Schäuble für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters zu gewinnen. Eberhard Diepgen sei die „unumstrittene Nummer eins in Berlin“, so Steffel.

Als mögliche Kandidaten werden außer Wolfgang Schäuble der Leiter der UN-Umweltbehörde, Klaus Töpfer, sowie Merkel genannt. Diepgen selbst hat bisher noch offen gelassen, ob er bei Neuwahlen noch einmal antreten will. Merkel hatte gestern auch hier gefordert, „schnellstmöglich“ einen Beschluss herbeizuführen.

Wasser auf die Mühlen der Wahlverzögerer goss gestern Parlamentspräsident Reinhard Führer (CDU). Führer lehnte eine Sondersitzung des Abgeordnetenhauses in der Sommerpause – bei der die Septemberwahl beschlossen werden kann – aus Termingründen (Ferien) ab. Harald Wolf (PDS) kritisierte Führers Absichten als undemokratisch, zumal laut Geschäftsordnung des Parlaments dieses von dessen Mitgliedern jederzeit einberufen werden könne.

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