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Ideal im Sommer

Der ferne, nahe Osten: Connie Walthers Berliner Liebesfilm „Wie Feuer und Flamme“

Am Anfang dieser Geschichte steht das Ende der Geschichte. Die Mauer fällt, ein Staat stirbt, und die sattsam bekannten Bilder flimmern über einen Fernsehschirm in New York City. Am Anfang von „Wie Feuer und Flamme“ steht aber auch eine Blume in Großaufnahme. Blumenblätter werden abgerissen . . . „liebt mich . . . liebt mich nicht“. Denn dies ist ein Liebesfilm, und die Geschichte, die nun Geschichte ist, zwingt Nele dazu, sich zu erinnern an diesen Sommer im Jahre 1982, als man Ideal hörte und dabei über die Dächer Westberlins blickte und doch nie bis in den Osten sah. Bis zu dem Tag, an dem sie 25 Mark Eintritt zahlt, zur Beerdigung der Oma fährt und sich verliebt in Captain, einen Berliner Punk, Sektion Ost.

Natja Brunckhorst, bekannt geworden vor genau 20 Jahren als Christiane F. in der Uli-Edel-Verfilmung, hat das Drehbuch geschrieben. Sie selbst hat damals Händchen gehalten in Ostberlin. Das alles war eher unspektakulär, aber es reichte als Ausgangspunkt für die dramatische Geschichte über eine Liebe und ihre Unmöglichkeit vor dem Hintergrund der nun nicht mehr ganz so neuen deutschen Historie. Unmöglich nicht nur, weil die Mauer stand, wo sie stand. Unmöglich auch, weil Captain und die anderen Punks längst beobachtet werden. 1981 tauchen die ersten Punks in der DDR auf. Noch aber lässt die Stasi sie gewähren, verhaftet und verhört sie immer wieder, erteilt ihnen auch schon mal ein Verbot für den Alexanderplatz. Noch ist es kaum mehr als ein Räuber-und-Gendarm-Spiel mit der Obrigkeit. Doch die Schikanen nehmen zu, die Punks werden zunehmend als „Abfall“ gesehen, und 1993 schließlich wird im so genannten Mielke-Befehl verfügt, „die Eskalation dieser Bewegung zu unterbinden“ und „Zersetzungsmaßnahmen“ einzuleiten. IMs werden angeworben, viele Punks gehen in den Knast, die Bewegung wird zerschlagen.

Über diese Zeit, über Punks in der DDR gibt es einen Dokumentarfilm („Störung Ost“) und ein Buch („Auch im Osten trug man Westen“). In „Wie Feuer und Flamme“ wird die Entwicklung der Repression aus dramaturgischen Gründen beschleunigt, wenn auch die Handlung im Film auf tatsächlichen Ereignissen beruht: Die Kranzniederlegung an der Ewigen Flamme, der Bericht über die Ost-Punks in „Kennzeichen D“ oder eben der Mielke-Befehl. Nebenbei wird auch manches Klischee bedient. Zum Beispiel wenn die lockere West-WG mit einem spießigen Ostberliner Arbeiterhaushalt konkurrieren muss, in dem Papa tatsächlich pünktlich Schnitzlers „Schwarzen Kanal“ einschaltet.

„Wie Feuer und Flamme“ zeichnet mit überzeugenden Darstellern, einer überaus liebevollen Ausstattung und nicht zuletzt auch dank der Musik von Nena, Dead Kennedys oder Blondie das Erwachsenwerden in den beiden deutschen Staaten der 80-er Jahre nach. Die Punk-Szene wird zur Hintergrundfolie für die jugendliche, durchaus Bravo-kompatible Liebesgeschichte – das ist mehr Anliegen, als man Filmen mit jugendlichen Protagonisten, seien sie in letzter Zeit noch so erfolgreich, zugesteht. THOMAS WINKLER

„Wie Feuer und Flamme“, Regie: Connie Walther. Mit Anna Bertheau, Antonio Wannek, Nora Tschirner u. a., Deutschland 2001, 94 Min.

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