Opfer der Korruption

Eine Pariser Konferenz berät die Zukunft des asiatischen Störs. Zu begehrt sind seine Eier, im Volksmund Kaviar genannt

Seine Vorfahren haben schon die Dinosaurier überlebt. Mit Knorpelskelett, Schnabelnase und den fünf Reihen Panzerplatten, die über seinen Körper laufen, gilt auch der Stör selbst als lebendes Fossil. Er ist graugrün, sieht ähnlich aus wie ein Hai und hat vier Barthaare. Der Stör wird drei bis sechs Meter lang und wiegt um die 200 Kilo. Der Riese unter den Stören, der Hausen, bringt es sogar auf über eine Tonne und bis zu acht Meter Länge. Ein Stör kann „mehrere Jahrzehnte“ alt werden – Genaues weiß man nicht.

Der Stör ist ein Wanderfisch. Von seinem Lieblingsplatz in Flussmündungen bricht er im Frühsommer, wenn es ihn zur Paarung zieht, flussaufwärts auf. Bevorzugt über kiesigem Grund legt das Weibchen dann bis zu zweieinhalb Millionen winzige Eier ab. Nach drei bis sechs Tagen schlüpfen die Larven.

Meistens kommt es aber gar nicht so weit. Denn Störeier sind begehrt. Kaviar werden die kleinen schwarzen Kügelchen genannt – eine Delikatesse. Der vom Hausen stammende Beluga-Kaviar kann locker 5.000 Mark pro Kilo kosten. Auch für ein Menü mit Sevruga- und Osietra-Kaviar darf man dreistellige Summen hinlegen. Störweibchen sind daher eine beliebte Beute: Ein Stör mit etwa 210 Kilo Gewicht liefert 45 Kilo Kaviar. Solche Megafänge sind allerdings die Ausnahme. Am Kaspischen Meer, wo der Stör – und nicht das Öl – immer mehr als „schwarzes Gold“ gilt, rechnen die Fischer mit drei bis vier Kilo Kaviar pro gefangenem Tier. Keine schlechte Rendite.

Schlecht aber für den Stör: Er ist vom Aussterben bedroht. Fischer – legale und illegale – aus den fünf Kaviar exportierenden Staaten Russland, Kasachstan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Iran haben den Störbestand bereits drastisch reduziert. Russische Experten gehen von einer Dezimierung um mehr als 90 Prozent in den letzten 20 Jahren aus. Fatal für den Stör war das Ende der Sowjetunion. Wurde früher auf die Einhaltung von Fangquoten und Nachzucht geachtet, so herrscht seitdem auch in der Fischerei die postsowjetische Mischung aus Korruption, Gleichgültigkeit und Gewalt. Zumal viele der Städte und Dörfer am Kaspischen Meer, an der Wolga und an den großen zentralasiatischen Seen bettelarm sind – und ohne den Stör noch ärmer wären. Nur im Iran scheint die staatliche Kontrolle noch zu funktionieren.

1997 setzte die Staatengemeinschaft den Stör auf die Liste der akut vom Aussterben bedrohten Tiere. Die „Internationale Konvention über den Handel mit gefährdeten Tieren“ (Cites) beriet in den letzten Tagen in Paris darüber, wie dem Stör zu helfen sei. Bislang ist lediglich der Iran bereit, seine Fangquoten zu reduzieren und mit den anderen Exportländern abzustimmen. Ob den anderen vier Ländern mit einer Frist Druck gemacht werden soll, war gestern Abend Thema der Verhandlung. Ergebnisse gibt’s heute.

Während die Störe in Asien immer weniger werden, sollen sie in Europa wieder Fuß fassen. Derzeit lebt die einzig „wilde“ Störfamilie in der französischen Gironde. Am Berliner Müggelsee warten seit fünf Jahren 27 aus Frankreich importierte Störe auf ihre Entlassung in die Freiheit. Noch allerdings schwimmen sie bei 20 Grad Wassertemperatur im Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Köpenick. KATHARINA KOUFEN,
ANDREAS ZUMACH