: Löwenzahns Nachwuchs
■ Statt Kindergarten: Auf der Kinder- und Jugendfarm in Habenhausen gibt es einen Farmkindergarten, der einen anderen Umgang mit der Natur lehrt
Also: Einen Kindergarten haben sie nie von innen gesehen. Ihr Kindergarten ist draußen. Auf der Wiese, im Wald und bei den Hängebauchschweinen. Selbst Frost und Regen können dem Kindertrupp nichts anhaben.
Noch ist dieser Farmkindergarten in Habenhausen für Bremen einzigartig. Auf der Farm gibt es alles, was das Kinderherz interessiert: Esel, Tiere, Heuboden, viel Grün und Gärten. Dort spielen die Kleenen nicht in Puppenstuben, basteln nicht mit Schere und Papier, sondern spielen mit dem, was draußen halt so auffindbar ist: mit Federn und Lehm, Ästen oder Kastanien. „Im ,normalen' Kindergarten kriegen die Mütter alles mögliche gebastelt“, erzählt Mutter und Vorstandsfrau Astrid Ziemann. Sie nicht – die Wunderwerke von Tochter Johanna aus Sand sind am anderen Tag längst nicht mehr.
Im Spätsommer geht der Farmkindergarten ins dritte Jahr. Ein ganzer Schwung Naturkinder wird dann die Schulbank drücken. Zeit für den Vorstand, Resumée zu ziehen über Kinderbetreuung in der Natur. Was ist anders, wenn kids jeden Tag draußen sind? Ohne Haufen von Spielzeug?
Nadine Fourmont hat vorher in einem „normalen“ Kindergarten gearbeitet, heute betreut sie die Farmkinder: 16 Kindsköpfe, die gerade über die Wiese tollen. „Hier ist es viel leiser als in anderen Kindergärten.“ Das Toben powert aus. Und wenn sie mittags draußen Zähne putzen, warten die kids geduldig bis sie Wasser in den Becher und Pasta auf die Zahnbürste gedrückt kriegen. Ganz ruhig. „In einem anderen Kindergarten wäre das nicht so glatt über die Bühne gegangen.“ Aber draußen Zähneputzen mit großer Spuckwanne in der Mitte – das macht schon wieder Spaß.
Klar, lernen die Kurzen in Habenhausen auch einen anderen Umgang mit der Natur. Für ein paar Jahre und vier Stunden täglich ist das schließlich zur zweiten Heimat geworden. Dort ziehen sie im Garten ihr eigenes Gemüse hoch, spielen zwischen Wiesen und Wald und entwickeln innigste Beziehungen zu zu den Hängebauchschweinen, Gänsen oder Eseln der Farm.
„Auf Fernsehen hat meine Tochter gar keine Lust, die will auch nachmittags lieber raus“, meint Mutter Birgit Niemann-Scheffel. Ihre Tochter hatte vorher auch einen Heidenschiss vor Tieren. Einmal wollte sie nicht mal auf den Heuboden, wenn unten ein Huhn stand. Ein Huhn ausgerechnet. Heute scheut sie weder Ponys noch weit größere Tiere. Die Gänse, die vor anderen Farm-Besuchern Reisaus nehmen, leben inzwischen in friedliche Koexistenz mit den Farmkindern. Unds die Schweine lassen sich von ihnen sogar streicheln. Nur von ihnen.
Und schlechtes Wetter? Gibt es nicht. Die kids, die jetzt in die Schule kommen, fanden es schon mal komisch, dass sie bei Regen in der Pause nicht raus können. Warum soll man nicht im Regen draußen spielen können? Im Farmkindergarten war das schließlich auch nicht anders. Lungenentzündung und diverse Grippen hat bislang noch keines der Kinder gehabt.
Das selbstgezogene Gemüse von der Farm wird beim Frühstück gleich mit verwertet. Manchmal kommt sogar der Kontaktpolizist aus Habenhausen vorbei, frühstückt mit, und ist meist ganz nett. Nur: „Der bringt nie eine Zahnbürste mit“, erinnern die Kinder.
Während andere Kindergärten schon mit Englisch anfangen, geht es den beiden Erzieherinnen um die Grundlagen: Außer Klettern, Balance und Bewegung auch Sozialverhalten. Zum Beispiel hängen die 16 Kindern immer zusammen, und splittert nicht in kleine Gruppen auf „In anderen Kindergärten ist das gar nicht möglich, weil die Ecken meist zu klein sind.“ pipe
Für das nächste Kindergartenjahr sind noch Plätze für Fünfjährige frei. Infos bei Astrid Ziemann Tel.: 84 80 586
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