Justiz droht Nazi-Opfern mit Haft

Nach einem rechten Überfall in Düsseldorf hatte die Polizei zunächst geschlampt und auf Zeugenbefragungen verzichtet. Jetzt verlangt die Staatsanwaltschaft von zwei Opfern, dass sie den Namen ihres Begleiters nennen. Der hat Angst vor rechter Rache

von PASCAL BEUCKER

Verkehrte Welt in Düsseldorf: Weil zwei Opfer eines rechten Überfalls nicht den Namen eines dritten Angegriffenen nennen wollen, droht ihnen nun ein Haftaufenthalt. „Wir werden in der nächsten Woche den Antrag stellen, die beiden vom Haftrichter vernehmen zu lassen“, sagte Staatsanwalt Johannes Mocken gestern der taz. „Wenn sie dann nicht zur Einsicht kommen und den Namen nennen, bleibt möglicherweise in letzter Konsequenz nichts anderes übrig, als sie in Beugehaft zu nehmen.“

Der Hintergrund: In der Nacht zu Fronleichnam waren der AStA-Sprecher der Düsseldorfer Universität, Christian Happ, und zwei im Antifa-Bereich aktive Journalisten zunächst von drei Skinheads angepöbelt und mit „Sieg Heil“-Rufen bedacht worden. Später wurden sie von zwei der Rechten, die sich um um drei Bekannte verstärkt hatten, angegriffen. Es kam zu einem Handgemenge. Dabei stach der 18-jährige Neonazi Sven R. zu: Happ trafen zwei Stiche im Oberarm und einer in die Schulter, einer seiner Begleiter und ein aus der Kneipe zu Hilfe geeilter Gast wurden durch Stiche in den Rücken zum Teil schwer verletzt.

Die Polizei war zunächst von einer „normalen“ Schlägerei ausgegangen und hatte deswegen auf umfangreichere Zeugenvernehmungen verzichtet.

Inzwischen steht für Staatsanwalt Mocken eindeutig fest, dass es sich um einen rechten Überfall handelte. Bei seiner Vernehmung am Dienstag vergangener Woche gestand Sven R. die Tat. „Die Polizei hat die Situation in der Nacht am Tatort falsch eingeschätzt“, gibt er zu. Das habe die Beweisaufnahme erschwert. Doch mittlerweile sei der Tathergang eindeutig rekonstruiert. Nur eine Aussage fehlt bislang: Die des nichtverletzten dritten Angegriffenen. Seine Identität wollen die anderen beiden nicht preisgeben, da sie Angst haben, er könnte Opfer von Racheakten aus der rechten Szene werden.

Damit will sich Mocken nicht zufrieden geben. Es gebe „keine konkreten Anhaltpunkte“ für eine unmittelbare Bedrohung des Betroffenen. Deshalb müssten die zwei bekannten Opfer den Namen nennen – dies müsse zur Not erzwungen werden.

Auch das Angebot der Rechtsanwältin des Unbekannten, dass ihr Mandant zu einer „Quellenvernehmung“ zur Verfügung stünde, schlägt er aus. „Es gibt keine Basis für eine Vertraulichkeitszusage“, erklärte Mocken. Außerdem würden sich die Rechten und die Linken in Düsseldorf ohnehin alle kennen.

Doch da könnte er sich irren. Denn nach Recherchen der taz handelt es sich bei dem Unbekannten um einen Journalisten, der seit längerem unter Pseudonym auch in überregionalen Zeitungen über die Neonazi-Szene berichtet. Das macht ihn mit Sicherheit zu einem besonderen Ärgernis, möglicherweise aber auch zu einem potenziellen Angriffziel für die Rechten.

Das will der 27-jährige linke AStA-Sprecher seinem unbekannten Bekannten ersparen. „Dann sollen die mich halt in Beugehaft nehmen, ich gebe den Namen nicht preis“, sagt Happ trotzig. Für eine „Schweinerei“ hält das Verhalten der Staatsanwaltschaft: „Hier sollen Opfer zu Tätern gemacht werden.“ Dabei wird Happ ohnehin noch lange an den Überfall vom 13. Juni zurückdenken müssen: Nach Auskunft seines Arztes wird sein Arm aufgrund der Stichverletzungen möglicherweise teilweise steif bleiben.