: Blumen und doppelte Umdeutungen
■ Diesmal nicht im alten Elbtunnel: „Elbart“ mit großer Schau kubanischer Kunst
Bei grünlichem Licht in gekachelten Röhren bei Jazzmusik Kunst gucken: Seit sieben Jahren ist die ElbArt im alten Elbtunnel ein von Zehntausenden besuchter Kultevent. Dieses Jahr hat sich die Bilderverkaufsschau nun aber auf Normalnull begeben und findet für zwei Tage in den Börsensälen der Handelskammer statt. Die Veranstalter hoffen, auch dort erfolgreich zu sein. Den schwerwiegenden Nachteil, dass die meisten Künstler der ElbArt NN gänzlich unbekannt sind, hat das Publikum auch schon früher zum interesseweckenden Vorteil umgedeutet. Doch diesmal wird nicht nur mit karibischer Live-Musik zu den über 40 Ständen in der alten Pracht der heiligen Kommerzhallen gelockt, sondern zusätzlich mit einer hochkarätigen Schau unstreitig professioneller Kunst aus Cuba.
Der Hamburger Privatinitiative „ars cuba“ ist es gelungen, mit der von der Präsidentin des Kritikerverbandes Magali Espinosa Delgado kuratierten Präsentation von etwa 100 Werken von 35 Künstlern aus Cuba, die bisher größte Schau dieser Art nach Deutschland zu holen. Ein Video zeigt ebenso konzeptuell wie sinnlich das Auftauen einer eingefrorenen Blume, was auch ganz direkt als Symbol eines Aufbruchs verstanden werden kann. In der Tat ist unter den schwierigen Transformationsbedingungen des sozialistischen Landes mit paralleler Dollarwährung eine blühende Kunstszene entstanden, die international noch viel zu wenig gewürdigt wird. Das trifft sogar für den bedeutendsten kubanischen Künstler des 20. Jahrhunderts zu, den Karibo-Surrealisten Wifredo Lam. Die zwei gezeigten Arbeiten Lams verstehen sich hier aber nur als Reverenz, in der übrigen Auswahl sind über die Hälfte der Künstler unter 30 Jahre alt.
Neben formalen Überraschungen, wie einem Elefant aus 46.000 Ameisen oder dem Künstlertod durch Erschlagen mit einem Seurat-Gemälde gibt es intensive Arbeiten zum Geschlechterkampf, Kombinationsbilder zu Rassismus und Dekonstruktionen von Propagandamotiven. Neben der Malerei verdient die Fotografie ein besonders Interesse. Die häufig stark körperbezogenen Arbeiten finden übergreifend zwischen dokumentarischer Realistik und ästhetisierter Stilisierung in Schwarzweiß zu eigener Ausdrucksstärke. Viele Fotos und Gemälde haben einen politischen oder volksreligiösen Subtext. Aber auch in einer auf den ers-ten Blick rein barock katholischen Altartafel mit der heiligen Veronika verbirgt sich eine doppelte Umdeutung: Der Christuskopfes auf dem heiligen Tuch trägt die Züge Che Guevaras. Hajo Schiff
Sonnabend, 12–24 Uhr + Sonntag, 11–17 Uhr, Handelskammer Hamburg, Adolphsplatz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen