strafplanet erde: schützenausmarsch:
von DIETRICH ZUR NEDDEN
Wieder mal war der größte Schützenausmarsch der Welt am vorvergangenen Sonntag ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges bei prachtvollem Kaiserwetter: Der Vorzug wurde opulent angeführt von den Berittenen Offizieren des Vereins Historisches Freischießen Wennigsen, die allerdings trotz Dauerfeuer den gleich hinter ihnen marschierenden Oberbürgermeister knapp verfehlten. Unbewaffnet kam der Verwaltungsrat der Schützenstiftung mit dem Präsidium des Verbandes der Schützenvereine daher in der Hoffnung auf Feuerschutz von der Schützengesellschaft Empelde von 1925 e.V. mit Stadtkönigin Monika Möller, Stadtjugendkönigin Kirsten Möller und Jugendwinterkönig Felix Metzger. Alle drei zeigten ihre Klasse und ballerten unermüdlich ein Magazin nach dem andern leer. Ein die Traditionalisten irritierendes Bild zeigte anschließend der Schützenverein Horrido Nienstedt, der nur auf die Beine zielte. Dass es nicht immer klappte, spricht gegen dieses neue Konzept. Im folgenden ersten Zug (weiße Standarte) ein frühzeitiger Höhepunkt die Schützengesellschaft Hüpede-Örie, kongenial begleitet von der Schützenkompanie Sebastians Bruderschaft 1350 e.V. Tambach-Dietharz. Beide schienen besonders viel Zielwasser getrunken zu haben, wovon die roten Sturzbäche um sie herum ein beredtes Zeugnis ablegten. Bruchmeister Jens Glaubitz führte den zweiten Zug an (rote Standarte), dicht bedrängt von der etwas wackligen Veteranenkutsche der Schützengesellschaft Linden von 1904 e.V. Knapp daneben, aber dann bald vorbei der Gastverein Gut Ziel Wettmar und die locker aus der Hüfte kommende Historische IV. Kompanie Uelsen des Bentheimer Landwehrbataillons von 1814. Zuverlässig wie immer die Besatzung des Festwagens der Firma Waffen-Will: nachladen und abdrücken eine Bewegung. Gegen Ende des dritten Zuges (gelbe Standarte) das bald ramponierte Bundesbahnorchester Altenbeken und der umgehend durch diverse Blattschüsse dezimierte Schießclub im Kleingärtnerverein Feierabend e.V. Nachdem die Truppe sich regelwidrig hinter dem Alten Rathaus verschanzt hatte, wurde sie ohne viel Federlesens füsiliert. Bleihaltig auch die Luft rund um die Billwärder Gilde von 1697 e.V. Die Jungs waren schnell, sehr schnell, schneller als ihr Schatten. Enttäuscht waren die Kenner der Szene von der mit viel Vorschusslorbeeren angereisten Ersten priviligierten Schützengilde zu Stendal. Ob ihr Pulver nass war oder mangelnde Konzentration die Ursache war, das Geheimnis werden sie mit ins Grab nehmen. Im vierten und letzten Zug (grüne Standarte) eine etwas dürftige Vorstellung des Schützenvereins Sausensiek. Es war aber auch eine undankbare Aufgabe, dem Kreuzfeuer auszuweichen, das die unmittelbar folgende Kyffhäuser Kameradschaft und die Feuerwehr-Schalmeien-Kapelle Erxleben flächendeckend legten.
Nach der amtlichen Zählung bei Ankunft auf dem 472. Schützenfest waren von den 12.000 Mitwirkenden und den 250.000 Schaulustigen noch genug übrig, um 34.718 Lüttje Lagen zu trinken. Prost und bis zum nächsten Jahr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen