standbild: Tägliche Misere
Knast vor dem Kollaps(Mo., 22.00 Uhr, WDR)
„Schwefel, Scheiterhaufen, Bratrost ... Ach, ein Witz! Kein Rost erforderlich, die Hölle, das sind die anderen“, heißt es in Jean-Paul Sartres Drama „Bei geschlossenen Türen“. Dass man nicht erst ins Jenseits vordringen muss, sondern die Hölle bereits im Diesseits zu haben ist, das wiederum zeigen Michael Grotenhoff und Stefan Pannen in ihrer Reportage „Knast vor dem Kollaps“. Sie zeigen die Enge der Zellen in der überbelegten Berliner Vollzugsanstalt Tegel, die wohl zwangsläufig zu aggressivem Verhalten führen muss. Hier sitzen 1.800 Gefangene ein, Platz ist eigentlich nur für 1.300.
Da sieht man drei rechtsradikale Gesinnungsgenossen in der Zelle beim Skat, die ebenso unaufgeregt wie einträchtig konstatieren, dass Deutsche nun mal Ausländer nicht leiden könnten. – Resozialisierung? Da sieht man nette junge Vollzugsbeamte, die ihr Bestes geben, an katastrophalen Bedingungen scheitern – zum Reden mit Häftlingen bleibt keine Zeit. Da gibt es das Interview mit einem Gefangenen, der erst im Knast drogensüchtig geworden ist.
Manchmal wirkt der Film geradezu rabenschwarz humorig. Doch ehe der Fernsehzuschauer schmunzeln kann, ist der Ernst der Lage wieder präsent: Die Beamten sind bei einem Fehlalarm gefilmt. Als sie am vermeintlichen Konfliktherd ankommen, heißt es: Ätsch, es gibt keine Hauerei – aber irgendwie muss man sich ja die Zeit vertreiben. Doch angesichts der jungen Vollzugsbeamtin, die außer Atem ist und heftig keucht, will keine Schadenfreude aufkommen. Sie erklärt die Zwangslage, die offenbar für alle Beteiligten schlimm ist: für Bewacher und Bewachte.
Grotenhoff und Pannen haben illusionslos und ohne Berührungsängste die Realität des Knastalltags nachgezeichnet. Es ist das reine Chaos, das dort herrscht, so viel wird deutlich. Wieso sollte ausgerechnet hier jemand lernen, sich an Werten einer bürgerlichen Zivilgesellschaft zu orientieren? Solche Fragen zu stellen, überlassen die Autoren dem Zuschauer. Und genau das ist das spannende Element des Films. Ungesagt und dennoch eindeutig: Verantwortlich für die Misere sind die justizpolitischen Entscheider, sie müssen etwas verändern.
GITTA DÜPERTHAL
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