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Ungeniert wird patroulliert

Nach der offiziellen Einweihung der Sicherheitswache am Hauptbahnhof: Private Sheriffs gehen mit Nahkampfwaffen Streife  ■ Von Magda Schneider

Am Hamburger Hauptbahnhof wird aufgerüstet. Nachdem SPD-Innensenator Olaf Scholz im Rahmen seines Sicherheitskonzeptes St. Georg die Schwarzen Sheriffs der Bahn- und Sicherungsgesellschaft (BSG) in die Ordnungsmacht integriert hat, setzen die Privat-Sheriffs jetzt offensichtlich eine neue Waffe gegen BettlerInnen und Alkoholabhängige ein. Seit Freitag patroullieren sie ausgerüstet mit dem Nahkampfstock „Tonfa“ und unter den Augen der Hamburger Polizei und des Bundesgrenzschutzes (BGS) auf dem Bahnhofsareal. Tonfas – unter Fachleuten auch „Totschläger“ genannt – sind nach dem Waffengesetz verboten.

Freitagabend, 19 Uhr, wenige Stunden nach der offiziellen Einweihung der neuen Sicherheitswache Ost durch Innensenator Olaf Scholz, in der künftig Polizei, BGS sowie der BSG gemeinsam Dienst versehen: Drei BGS-Männer und drei BSG-Leute kontrollieren einen Mann, der auf dem Südsteg an einem Fahrkartenautomaten gebettelt hatte. Über Funk werden die Daten abgeglichen. „Ist das auch die Adresse, wo sie gemeldet sind?“, fragt der BGSler, und der BSG-Mann hakt notierend nach: „Dort wohnen sie wirklich?“ Von Datenschutz keine Rede – die von den Polizeigewerkschaften kritisierte neue Kooperation zwischen BGS und BSG machts möglich.

Und damit nicht genug. An ihren Gürteln tragen die durch ihre Integration in die Wache Ost aufgewerteten BSG-Männer alle ganz ungeniert Tonfas. Der Tonfa ist ein länglicher Stab, an dem ein geschmeidiger Griff befestigt ist. Durch den Griff kann er an den Unterarm gepresst werden, wodurch problemlos Schläge mit einem Stock gekontert werden können. Oder er wird als verlängerter Arm genutzt, mit dem nach vorn und hinten geschlagen wird. Ein Treffer mit dem Tonfa in Bauch oder auf den Brustkorb hat unweigerlich gebrochene Rippen oder schwere Verletzungen zur Folge.

Von Polizeifachleuten wird der Einsatz von Tonfas „hart unterhalb der rechtlichen Voraussetzung zum Schusswaffengebrauch“ angesiedelt, weil der „Einsatzmehrzwecksstab“, wie er im Polizeijargon genannt wird, „ungewollt zu erheblichen Verletzungen führen kann“. Daher sind in Deutschland normalerweise nur Sondereinsatzkommandos wie SEK, MEK oder GSG 9 damit ausgestattet, die ständig damit trainieren.

In Hamburg trägt nur das Mobile Einsatzkommando die Kampfstö-cke. In Schleswig-Holstein sieht man es zwar ein wenig laxer, doch auch dort dürfen laut Bereitschaftspolizei-Trainingsleiter Jürgen Kobza „nur bestimmte“ BeamtInnen den Stab tragen: „Voraussetzung sind 20 Stunden Schulung und pro Jahr sechs Stunden intensives Trainung.“

Schwarze Sheriffs haben – abgesehen von der Hausrechtsausübung – nur Allgemeinbefugnisse und dürfen keinerlei Bewaffnung tragen. Bislang haben die Verantwortlichen der Sicherungsgesellschaft auch stets bestritten, dass Waffen benutzt werden. In der Tat wurden Schlagstöcke, wenn überhaupt, nur verdeckt getragen. Auf Anfrage bei der Polizei konnte Sprecher Ralf Kunz gestern zu dem Komplex keine Angaben machen.

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