häuptling chili von WIGLAF DROSTE:
„Ich brauch das nur zum Frischwerden!“, behauptet Robert Mitchum, als er sich eines Katermorgens mit einem Schnaps auf die Beine und in den Tag helfen will. Kuriert wird Mitchum in Howard Hawks’ großem Western „El Dorado“ von James Caan und John Wayne mit einer Art Zauberchili. Mitchums Dankbarkeit hält sich in Grenzen: „Meine Freunde. Meine lieben, treuen Freunde!“, röhrt er grantig und hält sich den Wanst. „Ihr heimtückischen, gemeinen, verdammten Schweinehunde! Was habt ihr mit mir gemacht? Was habt ihr mit mir gemacht? Als ob ich Ameisen im Bauch hätte!“
Dieses Wundermittel habe ich in langen Testreihen rekonstruiert, und das kam so: Meine Freunde, meine lieben, treuen Freunde Vincent Klink und Ralf Sotscheck verbreiteten unabhängig voneinander, ich hinge hoffnungslos an der Chili-Flasche oder nähme sogar die Original-Tabasco-Pulle ungeniert direkt vor den Hals. Ja, es ist wahr, ich trinke Chili-Sauce. Ich liebe Chili-Sauce. Ich bin geradezu süchtig nach Chili-Sauce. Und gerade deshalb aber nicht nach Tabasco, denn wie man keinen Johnny Walker trinkt, solange noch Bushmills da ist, nimmt man Tabasco nur in der äußersten Not, wenn wirklich gar nichts sonst greifbar ist. Denn Tabasco, hergestellt aus minderem Essig, Salz und rotem Pfeffer, hat einen entscheidenden Nachteil: Dem Tabasco fehlt der Knoblauch, und erst der Knoblauch gibt der Chili-Sauce den richtigen Wumms.
Heimtückisch schenkte Ralf Sotscheck mir ein Pülleken „Sharwood’s Hot Chili Sauce“. Das „hot“ war ein lauer Witz. Zwei weitere Schlückchen, und die Dosis war verdrückt. Außer dem schalen Gefühl betrogener Vorfreude hinterließ sie keinerlei Wirkung. „Sharwood’s“ kann bedenkenlos als Babybrei verfüttert werden. Ich spülte das Gefäß aus und schob eine Flaschenpost hinein: „Hallo Ralle, / Stoff is’ alle!“ Herr Sotscheck verstand das wunderbarerweise falsch und schickte einen gigantischen irischen Wildlachs und eine Flasche Black Bush. „Sharwood’s“ aber lag nicht bei; in Irland, wo ein Mann als homosexuell gilt, wenn er Frauen dem Alkohol vorzieht, werden „Sharwood’s“-Käufer wahrscheinlich von Sechsjährigen auf offener Straße ausgelacht.
Wenn man abends trank nach Art Robert Mitchums in „El Dorado“, ist ein Schluck Morgenchili das ideale Pusterohr für die müde Rübe. Acht getrocknete Chilischoten und vier große frische Knoblauchzehen werden im Mörser zerdrückt und mit einer Prise Salz und einer Messerspitze Zucker in ein Nullzweifläschchen versorgt, das halb und halb mit Balsamico und Wasser aufgefüllt wird. Verschluss drauf, schütteln, und schon nach kurzer Zeit ist ein Muntermacher parat, der bis in die Haarwurzeln wirkt. Klar ist der Kopf und Funken sprühend, die Lippen brennen wie von heißen Küssen, die Haut prickelt, und praktisch ist die Sache auch noch: Globalisierungsgegner können das Erfrischungsgetränk als Molotowcocktail weiterverwenden. Sollte jemand blöd von der Seite gaffen, wenn man sich mit einem Hieb Kribbelsauce stärkt, bekommt er die Antwort von Robert Mitchum: „Ich brauch das nur zum Frischwerden.“
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