willst du zum volkstanz, bleibe abstinent:
von RALF SOTSCHECK
Der Ire ist trinkfreudig, rauflustig und verfällt unweigerlich in Gesang, wenn er genug intus hat. So lautet jedenfalls das Klischee über die Bewohner der Grünen Insel. Offenbar ist es aber gar kein Vorurteil, wenn man dem irischen Gesundheitsminister Micheál Martin glauben kann, „Überall trinken sie, sind andauernd betrunken, und Kampftrinken ist ein ganz besonderes Phänomen“, sagte er angeekelt. „Wir dürfen uns nicht länger etwas vormachen, sondern müssen der Realität unseres nationalen Alkoholproblems fest ins Auge sehen.“
Deshalb rief er eine Abstinenzkampagne ins Leben, die vor allem auf Jugendliche abzielen soll. 1,5 Millionen Pfund hat die Trockenheitsbotschaft bisher gekostet. Das Geld hätte er besser in einem zünftigen Gelage angelegt. Die Kampagne blieb jedenfalls völlig wirkungslos, weil sie offenbar von Greisen konzipiert wurde, die sich verzweifelt um das bemühen, was sie für die Sprache der Jugend halten.
Die Internetseite, die sie entworfen haben, heißt „Cool Choices“. Sie enthält das Feld: „Willst du high werden?“ Wer es in der Hoffnung auf Tipps für den korrekten Drogenkonsum anklickt, erhält den Ratschlag, sich eine Briefmarkenkollektion zuzulegen. Auch das Sammeln von Telefonkarten sei empfehlenswert. Man könne in der Freizeit freilich auch Fliegenköder zum Angeln basteln. Davon soll man high werden?
An anderer Stelle auf der Website wird vor der Trunksucht mit Hilfe eines Cartoons gewarnt, das aus den Fünfzigerjahren stammen könnte. Ein anständiges Mädchen mit hochgeschlossenem Kleid und Pferdeschwanz späht durch ein Kneipenfenster und sieht ihre kurzberockte Freundin bechern. „Wie kann sie nur, wir wollen morgen doch tanzen“, denkt sie entsetzt. Es kommt, wie es in der Vorstellung des geriatrischen Zeichners kommen musste: Am nächsten Tag beim Volkstanz stürzt die Freundin aufs Parkett und röhrt: „Whoo . . . aahhh!“ Merke: Willst du zum Volkstanz, bleibe abstinent.
Um der Botschaft Nachdruck zu verleihen, hat die Regierung Prominente angeheuert – allerdings nur das B-Team: Mikey von der Gruppe Boyzone, der Fußballer Jason Sherlock, die Ansagerinnen des staatlichen Fernsehens RTE und die britische Mädchenband Atomic Kitten. Die tritt auch bei RTE in einem Werbespot gegen Alkohol auf. Gleichzeitig rühmen sich die Girls auf dem Musiksender MTV, dass sie jede freie Minute damit verbringen, sich in ihrer Stammkneipe volllaufen zu lassen. Ein neues Bandmitglied wählten sie danach aus, wer von den Bewerberinnen am meisten saufen konnte. „Die Band Atomic Kitten“, hämte ein Teenager, „war eine außergewöhnliche Wahl für eure Sache.“ Es ist das Gleiche, als würde Rudolf Scharping für die Friedensbewegung werben.
Das einmütige Urteil der irischen Jugend lautet denn auch: „Die Kampagne ist Scheiße. Sie ist eine Beleidigung der Intelligenz von Teenagern.“ Die Internetseite ist inzwischen geschlossen. Wer sie anklickt, erhält die Mitteilung: „Wir haben viele Rückmeldungen auf unsere Seite bekommen. Deshalb wird sie neu konstruiert.“ Hoffentlich von Leuten unter 80.
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