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Schockiert von der Gewaltorgie

betr.: „Italiens Polizei im Visier“, „Scheinheilige Gewaltdebatte“, taz vom 26. 7. 01 und 23. 7. 01

Herr Ströbele, ich danke Ihnen für Ihr persönliches Überprüfen des brutalen Vorgehens der italienischen Polizei. Das was Sie da getan haben, würde ich mir auf höchster Ebene wünschen – es wäre der geschlossene Protest der Bundesregierung, den es leider nicht gibt. Wie wollen wir in Europa Humanismus und Menschenrechte definieren angesichts solcher Art Gewalt, die vom System ausgeht? Aus unserer geschichtlichen Erfahrung sollten wir gelernt haben, dass der Missachtung von Menschenrechten in den Anfängen entschiedener Widerstand entgegengebracht werden muss, ansonsten werden wir ein Kapitel unserer Vergangenheit wieder erleben, von dem wir glaubten, es überwunden zu haben. Demokratie stellt noch keinerlei Qualität und Sicherheit dar, auch Hitler war demokratisch legitimiert.

Bei der Verfassung des Grundgesetzes führte dies zu der Erkenntnis der Demonstrationsfreiheit, um staatlichem Unrecht etwas entgegenzusetzen. Dass dieses Recht an Priorität verliert, ist auch bei uns zu beobachten, ich erinnere an den Ausnahmezustand in Gorleben. Das Recht der Demonstranten ist dem der sich auf dem G-8-Gipfel Versammelten gleichzusetzen. Dabei ist der Abbruch eines solchen Gipfels immer noch humanistischer als ein toter Demonstrant. PETER GABLER, Bruchweiler

Woran ich bei Polizei denke? An Gewalt, Knüppel, Tod, Lügen und perverse Kameraderie. Wenn man sie braucht gegen Gewalttäter und ist nicht reich und mächtig, kannst du sie vergessen. Trotzdem bin ich von der Gewaltorgie der Polizei in Italien schockiert. Seit die Rechten in Italien regieren, regiert auch dort der Knüppel wie in vielen „freien“ kapitalistischen Ländern. Meinungsfreiheit gilt nur für regierungstreue Jubler, nicht für friedliche Kritiker. Hoffentlich geraten die Täter von Genua mit Druck vor die Öffentlichkeit. Bestraft werden sie wohl auch dort nicht werden. Auch in Italien regiert das Kapital. LUDWIG BERGER, Buchen

Ja, die Gewaltdebatte ist wirklich scheinheilig fast überall. Auch Eberhard Seidel erwähnt in seinem Kommentar einen Aspekt nicht, der der gesamten Gewaltfrage eine andere Richtung gibt: Inwieweit nämlich die Gewalt angezettelt oder zumindest provoziert wird durch die „Sicherheitskräfte“. Beispiele dafür gibt es überall und genug, auch in Deutschland (Ost und West). Unter diesem Aspekt erübrigt sich der Versuch, die Gewalt der Globalisierungsgegner zu rechtfertigen! HARTWIG SCHRÖDER, Wiesbaden

In fast allen Medien wird ständig vom „schwarzen Block“ geschrieben, der ungehemmt randaliere und friedliche Demonstranten für seine Gewaltorgien instrumentalisiere. Jeder Bürger kann jedoch auf eskalierten Demos folgende Beobachtungen machen: Zigarettenläden werden in der Regel nie von schwarz Vermummten angegriffen, sondern eigentlich immer von Durchgeknallten, Besoffenen oder Jugendlichen. Die Ersten kann und will man nicht stoppen, für die Jugendlichen mag man Verständnis empfinden. Militante Sachbeschädigung findet dagegen meist in einem moralisch-theoretischen Kontext, wie bestimmte öffentliche Einrichtungen, Großkonzerne und Filialketten statt. Punks zünden gerne Müllcontainer an. Idioten schmeißen Scheiben ein. Die Polizei greift unbeteiligte Demonstranten an.

Wird aber ein Tante-Emma-Laden oder ein Kleinwagen von schwarz Maskierten in Brand gesteckt, wie in Genua offensichtlich umfangreich geschehen, würde ich intuitiv von Provokateuren ausgehen. Die autonome Szene ist vor vielen Jahren zu Recht gestorben, bei Demonstrationen trifft sich meist ein buntes Häufchen, das mehr oder minder miteinander kann.

Die Verantwortlichen interessieren sich seit einiger Zeit offensichtlich vermehrt für die „normale“ kritische Masse, für bunte Kleidung und für wiederbelebte Bürger. Die Schüsse in Göteborg fanden auf einer Reclaim-the-Streets-Party statt, in Berlin werden seit dem ersten Mai Menschen mit Adidas-Jacken verhaftet. Offensichtlich glaubt man, die linken oder liberalen Reste, die sich unter anderem als „Globalisierungsgegner“ zeigen, jetzt mit Gewalt stoppen zu müssen. R.H.,Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die veröffentlichten LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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