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Polizei-Amtshilfe in Eigenregie

Dänischen Polizeibeamten droht ein Strafverfahren. Auf eigene Faust beschatteten und fotografierten sie Demonstranten in Schweden. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft

STOCKHOLM taz ■ Amtshilfe nennt sich das, wenn es legal geschieht: Ausländische Polizeibeamte, die der Landespolizei bei der Überwachung, Identifizierung und Lieferung eigenen Fahndungmaterials zuarbeiten. Mehreren dänischen Polizeibeamten droht jetzt aber ein Strafverfahren, weil sie beim EU-Finanzgipfel im schwedischen Malmö im April DemonstrantInnen beschatteten, filmten und fotografierten, obwohl sie offiziell nicht im Rahmen der Amtshilfe von ihren schwedischen KollegInnen dazu legitimiert waren.

Marcus Häggström, Vizevorsitzender der Initiative „Schweden raus aus der EU“, hatte auf einer Demonstration in Malmö anlässlich des EU-Gipfels eine Gruppe zivil gekleideter Männer gefilmt, die dänisch miteinander sprachen und selbst Demo-TeilnehmerInnen fotografierten und filmten. Diese wollten daraufhin seine Kamera beschlagnahmen, weigerten sich aber, sich auszuweisen. Häggström beobachtete später, wie sich diese Zivilpolizisten in einem abgesperrtem Bereich, zu welchem nur Polizei Zutritt hatte, ungehindert unter den schwedischen Beamten bewegten und von dort aus weiter filmten. Schwedische Polizei, auf diese „Kollegen“ angesprochen, verweigerte ein Eingreifen und eine Stellungnahme.

Erst als Häggström seine Beobachtungen und die anderer Demo-TeilnehmerInnen auf einer Internetseite veröffentlichte, Strafanzeige stellte und beim schwedischen Justizminister Thomas Bodström persönlich vorstellig wurde, kam Bewegung in die Sache. Die Staatsanwaltschaft in Malmö teilte jetzt mit, dass man gegen vier der Männer, die man aufgrund des Filmmaterials als dänische Polizeibeamte identifiziert hat, ermittle. Laut Staatsanwalt Sven-Erik Alhem wegen des Verdachts der Amtsanmaßung und illegaler nachrichtendienstlicher Aktivität. Die Anwesenheit und Aktivität der dänischen Beamten sei weder durch Bitte um Amtshilfe noch durch das Schengen-Abkommen gedeckt. Zwar hatte die schwedische Polizei Amtshilfe erbeten, die zwei dänische Beamte auch leisteten. Die fraglichen anderen Beamten seien dadurch in ihren Aktivitäten aber nicht gedeckt gewesen. Sei der Vorgang so passiert, wie sich das jetzt abzeichne, wäre dies, so Alhem, „eine klare Übertretung der Abkommen und Gesetze“.

Der dänischen Polizei ist das Geschehen offenbar mehr als peinlich, sie bestätigt aber faktisch die Vorwürfe. Kai Vittrup, Kopenhagener Polizeichef, will die Polizisten zu Sündenböcken machen: Sie hätten dies privat gemacht, „aus Engagement für ihre Arbeit“ und müssten mit einem Verweis und einer Versetzung rechnen. An diese Erklärung will Keld Albrechtsen, dänischer Abgeordneter der linken „Einheitsliste“ nicht glauben. Er hat Justizminister Frank Jensen um eine offizielle Erklärung gebeten. REINHARD WOLFF

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