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Neue Jagd auf Faulenzer

Vier Monate nach Gerhard Schröder entdeckt auch Roland Koch das populäre Thema. Die Kanzlerkandidatur für 2006 hat er dabei schon fest im Blick

Der Ministerpräsident hatte schon die letzte Wahl mit einer populistischen Kampagne gewonnen

von KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Das hat hingehauen. Mit seiner Vision, die Zahl der Sozialhilfeempfänger in seinem Land zu halbieren, hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Lufthoheit über den Stammtischen erobert – glauben zumindest die Grünen. „Mit sicherem Instinkt“, so der frühere Wiesbadener Justizminister Rupert von Plottnitz, habe Koch „zu einem Bedrohungsszenario für Sozialhifeempfänger“ gemacht, was in Amerika als „Hilfsprogramm für sozial Schwache“ gedacht war. Koch denke nicht an Hilfe, sondern suche nur nach Mitteln und Wegen, um Sozialhilfeempfängern das Leben noch schwerer machen zu können. Die grüne Landesvorsitzende Evelin Schönhut-Keil warf dem Ministerpräsidenten vor, er fische Stimmen am rechten Rand des politischen Spektrums. „Keinen blassen Dunst“ habe der Christdemokrat, was sozialpolitisch tatsächlich getan werden müsse, um Sozialhilfeempfängern neue Perspektiven zu eröffnen. Den CDU-Politiker kratzt das nicht. Den letzten Landtagswahlkampf 1999 hat er schließlich mit populistischen Thesen erfolgreich bestritten. Damals ging es um die doppelte Staatsbürgerschaft im Speziellen und gegen „integrationsunwillige“ Ausländer im Allgemeinen. Die nächste Landtagswahl 2003 will er, wie es aussieht, mit der Debatte über angeblich arbeitsscheue Sozialhilfeempfänger gewinnen – und dann durchstarten zu einer möglichen Kanzlerkandidatur im Jahr 2006.

Claqueure überall. Ein konservatives Blatt freute sich, Koch wolle „aus der sozialen Hängematte ein Trampolin machen“ und die Sozialhilfeempfänger zurück in den Arbeitsmarkt „katapultieren“. Und zwei Drittel der Westdeutschen glauben, Arbeitslose seien faul. Selbst im Osten sind 40 Prozent der Menschen dieser Ansicht. Losgetreten hatte die Debatte niemand anderes als Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD). Vor vier Monaten verkündete er in der Bild-Zeitung, es gebe „kein Recht auf Faulheit“.

Koch knöpft sich jetzt speziell die Sozialhilfeempfänger vor. Deren Image ist offenbar noch schlechter als das der Arbeitslosen. Die Zeiten müssten bald vorbei sein, in denen ein Sozialhilfeempfänger genauso viel Geld zur Verfügung habe wie ein Durchschnittsverdiener, so Koch gestern: „Wir sind zu weich beim Zwang und zu schlecht bei der Hilfe.“ Und Koch drohte: „Wer sich dem Beschäftigungsprogramm verweigert, muss sich auf ein sehr bescheidenes Leben bis hin zur Wohnunterkunft einstellen.“

Sein Modell hat sich Koch bei Hessens amerikanischem Partner abgeguckt, dem Bundesstaat Wisconsin. Das dortige Programm bietet aber vornehmlich Hilfe und kommt ohne direkten Zwang aus – allerdings vor dem Hintergrund, dass in den Vereinigten Staaten die Hilfe zum Lebensunterhalt ohnehin nur fünf Jahre lang gezahlt wird. Und die Beträge sind sehr viel kleiner als in Deutschland. Wer schon drei oder vier Jahre lang monetäre staatliche Unterstützung erhalten hat, ist also eher bereit, eine auch schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen, will er sich nicht in das Heer der „homeless people“ einreihen (siehe unten).

Nach Angaben von Regierungssprecher Dirk Metz (CDU) erhalten in Wisconsin von fünf Millionen Einwohnern gerade noch 5.000 Menschen Sozialhilfe – das sind 0,1 Prozent. In Hessen gibt es derzeit bei sechs Millionen Einwohnern 234.000 Sozialhilfeempfänger – eine Quote von vier Prozent, also das Vierzigfache. Doch die US-Statistik sei „geschönt“, sagt die grüne Landeschefin Schönhut-Keil: „Wer das amerikanische System in Gänze in Deutschland umsetzen will, muss wissen, dass dort der Sozialhilfebezug auf fünf Jahre begrenzt ist. Konsequenz davon sind Armenküchen und Ghettos mit einer gigantischen Kriminalität.“

Dazu habe Koch nichts gesagt. Und auch nichts darüber, wo die Arbeitsplätze für die nicht oder nur mäßig qualifizierten Sozialhilfeempfänger herkommen sollen. Die Regierung Koch habe stattdessen dem Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“, das noch die rot-grüne Landesregierung beschlossen hatte, den Geldhahn zugedreht. Die Kommunen, die alleine die Last der Sozialhilfeausgaben zu schultern hätten, stünden jetzt im Regen. Das Wisconsin-Modell koste aber viel Geld: für die Einstellung von Beratern, für Jobprogramme und für Fortbildungsmaßnahmen.

Die Landesregierung in Rheinland-Pfalz hat für die von Sozialhilfe lebenden Familien mit Kindern übrigens schon eine Art von Wisconsin-Modell entwickelt. Das kostet 100 Millionen Mark pro Jahr – und hat gerade einmal 120 Arbeitslose von der Straße gebracht.

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