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Diepgens kleine Villa wird verkauft

Der neue Regierende Bürgermeister Wowereit will nicht in der senatseigenen Dienstvilla residieren. Was einst Brandt und Albertz bewohnten, ist dem Land zu teuer. Schön war die einstige Garage nie, aber Blumen pflanzt man trotzdem

Viele Regierende Bürgermeister Berlins haben die schlichte Dienstvilla in der Taubertstraße 19 bewohnt. Willy Brandt, Heinrich Albertz, Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen etwa. Allerdings scheint nun die Ära der Prominenz für das Haus endgültig vorbei. „Herr Wowereit möchte die Villa nicht und ist der Meinung, dass das Land eine solche Immobilie auch für künftige Nutzer nicht mehr behalten muss“, sind die Worte des Senatssprechers Helmut Lolhöffel. Sie bedeuten, dass der neue Hausherr entschieden hat zu sparen. 1.000 Quadratmeter im Grunewald sind einer finanzschwachen Stadt wie Berlin zu teuer für ihren Mächtigen. Nach der Sommerpause wird das senatseigene Grundstück verkauft. Zwei Millionen Mark soll das Domizil kosten.

Es ist wohl die vornehme Lage, die man dabei mitbezahlt. Das Haus selbst wurde 1923 nur als einfache Garage für ein herrschaftliches Anwesen gebaut. Aus dem Autoabstellplatz entstand erst sehr viel später ein Einfamilienhaus. Um in der Stadt mehr Baugrundstücke für Eigenheime zu schaffen, wurden in den 50er-Jahren die großen Grundstücke im Grunewald in kleinere Einheiten geteilt. Man versah die Garage mit einem Wintergarten und einer eigenen Hausnummer. 1964 zog dann Willy Brandt ein.

Das Haus wirkt indes immer noch keinesfalls herrlich mondän. Seine wunderbaren Tage scheinen in einem Fernsehkrimi aus den 70er-Jahren hängen geblieben zu sein. Man stellt sich vor, wie Monika Diepgen hinter den gelben Butzenscheiben Schnittchen vorbereitet. Neben der Haustür stehen verblühte Rhododendronbüsche, am Zaun kränkelnder Farn.

Seit Jahren wird das Gebäude an Privatleute vermietet. Derzeit wohne eine fünfköpfige Familie aus Hannover dort, sagt der Pförtner der gegenüberliegenden Botschaft der Bundesrepublik Jugoslawien. Aber auch das wisse er nicht genau. Dies ist eine Gegend, in der Diskretion viel zählt. Die Bungalows haben die Rollläden unten, Klingelschilder gibt es nicht, von außen Kommendes wird hier schnell als Bedrohung erfahren.

In den Immobilienteilen der Zeitungen inseriere der Liegenschaftsfonds das Grundstück bereits, meint die Finanzstadträtin des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf, Monika Thiemen (SPD). Sie ist glücklich über Wowereits Entscheidung, schließlich befreit er den Bezirk von einer finanziellen Last.

Mehrfach hatte die Finanzstadträtin seinen Vorgänger Eberhard Diepgen gebeten, sich von dem Gebäude zu trennen. Den Mieteinnahmen von rund 80.000 Mark im Jahr, die direkt an das Land gehen, standen im vergangenen Jahr rund 56.000 Mark Unterhaltskosten gegenüber, die der Bezirk aus seiner schmalen Schatulle nicht tragen mehr konnte. Der Keller war undicht, die Heizungsanlage reperaturbedürftig, klagt Thiemen. „Wir machen da nur Verluste.“

Zwei Plastiksäcke mit Blumenerde lehnen in der Taubertstraße 19 am Maschendrahtzaun. Die jetzigen Bewohner wollen noch pflanzen. Ihr Mietvertrag läuft noch bis zum Jahr 2004.

KIRSTEN KÜPPERS

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