: „Ich will auch nicht bei mir bleiben“
■ Hörspiel am Sonntag: Männer, Frauen und die Fallstricke des modernen Lebens Großstadtsymphonie
Die Hörspielabteilung von Radio Bremen kann mit den Honoraren der reicheren Sender nicht mithalten. Deshalb ist das kleine Redaktionsteam gezwungen, junge und jüngste Talente aufzuspüren. Die neueste Entdeckung ist die Berliner Künstlergruppe „allein-im-hausflur.de“. Die hat sich erst im Januar 2001 formiert. Und auch die Liste der Projekte ist noch extrem kurz: Mit „Anybody Home“ hat die fünfköpfige Gruppe erst eine Arbeit vorzuweisen. Doch die hat es dafür in sich.
Über 70 Jahre nach Walter Ruttmanns legendärer Symphonie einer Großstadt haben Amina Gusner und ihre Hausflur-Kollegen erneut Berlin und sich selbst belauscht. Aus aufgeschnapptem Alltagsgerede und vermutlich in munterer Runde zusammengewürfelten Statements haben Gusner und Co. einen prickelnden Cocktail modernes Leben gemixt.
„Was ich an Frauen nicht leiden kann ist, dass sie so viel fühlen müssen. Die zerfühlen alles richtig“, sagt da ein namenlos bleibender Mann. Und kurz darauf gibt eine Frau zum Besten: „Nehmt mich doch mit, ich will auch nicht bei mir bleiben.“ Zu leisen schnellen Beats und einer percussiven Musik von Paul Wilke reiht sich in dieser Collage aus 24 Stimmen und sechs Instrumenten ein Zitat ans andere. Die Schnitte sind ebenso rasant wie die Stimmungswechsel.
Mal mit Berliner Schnauze, mal auf Sächsisch und dann doch wieder auf Hochdeutsch erzählen die Stimmen von Partnersuche, erstem Sex und den Stolperfallen im Alltag. „Ich wünsche dem Mann in der Post schöne Weihnachten. Da sagt er: Ich bin aber Jude.“ Das Leben zwischen Höflichkeit und Politischer Korrektheit ist eben kaum ohne Blessuren zu bewältigen. Doch selten war es so witzig wie im 50-minütigen Hörspiel „Anybody Home“.
Und was macht der Mann in Gegenwart einer alles zerfühlenden Frau? „Ich erfinde irgendwelche Gefühle, von denen ich annehme, das sie jetzt richtig sind.“ ck
Ursendung am Sonntag, 19. August, 17.05 Uhr auf Radio Bremen 2.
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