: Unternehmer als Friedensanwälte
Der Flughafenanschlag in Sri Lanka vom Juli hat deutlich gemacht, dass der ethnische Konflikt im Land auch die Wirtschaft bedroht. Jetzt machen sich deshalb Vertreter der Unternehmerverbände für die Aufnahme von Friedensgesprächen stark
aus Delhi BERNARD IMHASLY
Die Befürworter eines Friedensschlusses im ethnischen Konflikt in Sri Lanka haben einen neuen Alliierten: die Geschäftswelt. Nachdem Präsidentin Chandrika Kumaratunga die Opposition während eines Business-Forums zu Friedensgesprächen aufgerufen hatte, haben sich Vertreter der Wirtschaft in der vergangenen Woche mit Oppositionsführer Ranil Wickremasinghe getroffen und so offenbar eine Vermittlerrolle übernommen.
Damit sieht es so aus, als habe der Angriff tamilischer Rebellen auf den internationalen Flughafen von Colombo vor gut einem Monat einen tieferen Schock ausgelöst als der offene Krieg im Norden des Landes oder die vielen Attentate der letzten 18 Jahre.
Das ist nachvollziehbar. Denn die Kommandoaktion, die die halbe Flotte von Sri Lankan Airways lahm gelegt hatte, hat deutlich gemacht, dass der Flughafen für die Inselrepublik das einzige Tor ins Ausland ist. Der Personenverkehr per Schiff ist praktisch eingestellt und beschränkt sich auf den kleinen Grenzverkehr von der Insel zum indischen Festland. Seit dem Anschlag sind nicht nur zahlreiche Flüge der einheimischen Fluglinie annulliert worden. Auch ausländische Linien fliegen seltener, Zudem haben sie ihre Preise erhöht.
Die gravierendste Folge für den Tourismus als wichtigsten Devisenbringer der Wirtschaft ist aber, dass immer mehr Gruppenreisen in der kommenden Wintersaison abgesagt werden. In den beinahe zwanzig Jahren Bürgerkrieg war es dem Land gelungen, das Ferienparadies einigermaßen gegen Bomben und Attentate abzuschotten, indem die ankommenden Reisenden rasch an die Strandhotels im Süden des Landes geschleust wurden. Mit dem Granatenangriff wurde dieser schmale Korridor in den Augen vieler Reiseveranstalter plötzlich zu einem inakzeptablen Risiko. Vertreter der Tourismusindustrie haben bereits Entlassungen angekündigt.
Auch der Schiffsgüterverkehr ist betroffen. Die internationalen Versicherer haben den Tiefseehafen von Colombo, der ein wichtiger Umschlagplatz nach Südindien ist, als „Kriegsrisiko“ eingestuft. Daraufhin haben einzelne Schifffahrtslinien beschlossen, nicht mehr anzulegen. Bei den anderen schlugen die massiven Erhöhungen der Versicherungsprämien sofort auf die Transport- und Löschkosten durch. Zwar soll es Schifffahrtsminister Ronnie de Mel, der eigens nach London gereist war, um mit den Versicherern zu verhandeln, gelungen sein, die Prämien mit einer Staatsgarantie von 50 Millionen US-Dollar wieder zu drücken. Doch wegen ihrer großen Auslandsabhängigkeit – neben dem Tourismus sind Bekleidungs- und Teeindustrie fast ausschließlich auf Exporte ausgerichtet – werden die gestiegenen Kosten für Luft- und Seefracht die Gesamtwirtschaft schwer in Mitleidenschaft ziehen. „Unsere Nation hat die Wahl: Frieden finden oder untergehen“, ließ sich ein Vertreter der Schifffahrtsindustrie zitieren.
Schon vor dem Anschlag hatte die Wirtschaft unter hohen Kriegssteuern gelitten. Zusammen mit der internationalen Flaute und einem schlechten Landwirtschaftsjahr haben sie dazu beigetragen, dass das Wirtschaftswachstum offiziell um ein Drittel auf 3 Prozent zurückgegangen ist. Ein neuer Preisschub aufgrund höherer Transportkosten und fallender Tourismuseinnahmen wird laut Vertretern der drei Exportsektoren zu Entlassungen führen. „Die Menschen werden auf der Straße stehen, und die Krise wird zu sozialen Unruhen führen“, warnte ein Repräsentant des Textilindustrieverbands. „Die Wiederherstellung des Friedensprozesses ist die einzige Kur für die Wirtschaft und das Land.“
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