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Grüne gegen Schily

Breite Kritik an Entwurf des Innenministers für Zuwanderungsgesetz. Berliner Landesverband: „Als Grundlage ungeeignet“

BERLIN taz ■ Die Empörung über den von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) vorgelegten Entwurf für ein Einwanderungsgesetz zieht in der grünen Partei immer breitere Kreise. Der Berliner Landesverband bezeichnet Schilys Vorlage als „nicht zustimmungsfähig“. Dieser Entwurf „schützt nicht Flüchtlinge, sondern vor Flüchtlingen“, heißt es in dem gemeinsamen Beschluss der grünen Abgeordnetenhausfraktion und des Landesvorstands.

Hier lebende Flüchtlinge würden in die Illegalität abgedrängt. Eine „ernsthafte Integrationspolitik“ würde verhindert. Insgesamt enthalte der Entwurf „rechtsstaalich fragwürdige Regelungen“. Nach Meinung der Berliner Grünen soll in dieser Legislaturperiode lediglich die Arbeitseinwanderung neu geregelt werden. Ein Einwanderungsgesetz soll es vor der Bundestagswahl nicht mehr geben. Erst, so der Beschluss, müsse eine „breite gesellschaftliche Diskussion“ geführt werden, die schließlich in ein Gesetz münden soll: „Der Schily-Entwurf ist hierfür als Grundlage nicht geeignet.“

Bei der Vorstellung des Beschlusses wurde der Abgeordnete Hartwig Berger, ein ausgewiesener Migrationsexperte, deutlich: Die von Schily geplante Einführung von so genannten Ausreiseeinrichtungen sei eine „Internierungsstrategie“ und die geplante Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes eine „Verelendungsstrategie“. Berger: „Eine Partei, die nur einen Funken Humanität hat und einigermaßen bei Sinnen ist, kann so einen Entwurf nicht akzeptieren.“

Auch die Grünen in Schleswig-Holstein kritisierten gestern den Schily-Entwurf, nachdem in dieser Woche bereits der Hamburger Landesverband und die bayerischen Grünen massive Einwände am Schily-Entwurf geäußert hatten.

Wie die Grünen konkret mit dem Entwurf umgehen, war gestern noch unklar. Am Abend, nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe, sollte es zu einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands und der Landesvorstände kommen, um das weitere strategische Vorgehen zu beraten. Während sich die entschiedenen Kritiker aus Berlin und Hamburg für eine Entkoppelung der Neuregelung der Arbeitseinwanderung und des Umbaus des Ausländerrechts einsetzen, möchten führende Bundesgrüne wie die Bundesregierung den gesamten Komplex Zuwanderung noch vor der Bundestagswahl neu regeln.

Bisher soll der Schily-Entwurf am 26. September im Kabinett verabschiedet werden. In den nächsten Wochen werden die Koaltionsfraktionen von SPD und Grüne den Entwurf gemeinsam beraten. Bereits am kommenden Sonntag trifft sich Schily mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) und dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein, um über das Einwanderungsgesetz zu beraten. ROBIN ALEXANDER

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