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Der Komponist häkelt Schals

Langeweile zeigen: Benedikt von Peter bearbeitete in den Sophiensælen Gaetano Donizettis „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ zur Oper über eine Oper über Oper

Am Anfang geht’s gleich um das Ende: Die Primadonna rauscht auf die wenig beleuchtete Bühne und probt heimlich, wie sie den Schlussapplaus entgegennehmen will. Die stolze Variante mit triumphierend hoch gereckten Armen hat sie im Repertoire ebenso wie die demütig ergriffene mit verschämt niedergeschlagenen Augen. Die Diva ist allein. Es ist still, nur ein Wasserhahn tropft irgendwo vor sich hin.

Und wir verstehen, das ist einfach todlangweilig wie jede routinierte Theaterpose. Langeweile zeigen, ohne selbst zu langweilen – zugegeben, das ist schwierig. Kläglich gescheitert ist letztlich an dieser selbst gestellten Aufgabe das erste Projekt „Theatertote“ der freien Operngruppe Evviva la diva, das jetzt in den Sophiensælen gastierte.

Gemeinsam mit dem Komponisten Leo Dick hat der Bonner Regisseur Benedikt von Peter aus der Komödie „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ von Gaetano Donizetti eine Oper über eine Oper über Oper gebastelt. Zwar macht sich auch schon die muntere Farce des Italieners von 1827 über den konventionellen Musiktheaterbetrieb lustig, doch das junge Produktionsteam wollte noch einen Schritt weitergehen und die traditionelle Opernästhetik an sich in Frage stellen. Deshalb haben von Peter und Dick Donizettis Opera buffa zerhackt, um eigene Dialoge, Musik und Sounds einzufügen.

Doch wirklich innovativ fällt das Selbstersonnene nicht gerade aus. Außerdem tritt als Alter Ego des Regisseurs ein Sprecher auf, der das Geschehen unbarmherzig kommentiert und schließlich sogar als Mutter der Seconda Donna eingreift. Nicht länger kann er das unmotivierte Treiben jener Operngruppe mitansehen, die bereits 25 Jahre durch die Lande tingelt und immer denselben pathetischen Barockschinken „Romulus und Ersilia“ probt. Das heißt, man versucht zu proben. Denn vom Impresario bis zur Souffleuse, allesamt sind sie auf ihre Weise zu Autisten geworden. Jeder hockt meistens vor seinem großen Schrankkoffer und frönt seinen Hobbys: Die eitle Primadonna etwa macht sich ständig an ihren Haaren zu schaffen, der Komponist häkelt Schals, der Impresario putzt seinen Kühlschrank. Und der Wasserhahn tropft unnachgiebig vor sich hin.

Gerade diese breit ausgewalzten Szenen allgemeiner Lethargie machen das Stück „Theatertote“ über weite Strecken zur Imitation eines Christoph-Marthaler-Abends. Doch während in den besten Produktionen des Schweizers Momente des Stillstands höchst beredt sind, weil zwischen den Figuren auch ohne Worte viel passiert, tritt in von Peters Inszenierung das Geschehen zumeist auf der Stelle.

Vielleicht fehlt es dem 24-Jährigen einfach noch an Erfahrung in Sachen Personenregie – es ist schließlich erst seine zweite Inszenierung. Darüber hinaus erinnern das Bühnenbild von Friedrich Eggert und die Kostüme von Doris Maria Aigner in ihrer Liebe zum skurrilen Detail an die Ästhetik von Marthalers Stammausstatterin Anna Viebrock. Und auch musikalisch eifert Leo Dick stellenweise dem romantisch verklärten Volkston nach, der so gerne bei Marthaler anklingt.

Eigentlich erstaunlich, dass die „Theatertote“-Produktion sich so unübersehbar einer fremden Ästhetik bedient. Dabei hatten die zehn Theatermacher von Evviva la diva sich eigentlich vorgenommen, etwas ganz Neues zu entwickeln, als sie ihren Verein für junge Oper im April letzten Jahres gegründet haben.

DAGMAR PENZLIN

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