DER ISRAELISCH-PALÄSTINENSISCHE KONFLIKT HAT DIE USA ERREICHT: Der Sumpf und die Moskitos
Keiner hat schneller auf die Gräueltaten in Amerika reagiert als Ariel Scharon. Er hat sofort begriffen, dass er jetzt tun kann, was er will. Die Welt sitzt vor den Fernsehschirmen. Keiner interessiert sich jetzt dafür, was im Westjordanland passiert. Israelische Militäraktionen in den palästinensischen Gebieten werden noch zunehmen. Amerika ist über „die Araber“ und „die Muslime“ empört, „Terrorbekämpfung“ steht auf der Tagesordnung – alle Aktionen Scharons stehen schon lange unter dieser Parole. „Jetzt werden die Amerikaner begreifen, warum wir tun, was wir tun. Die Palästinenser sind Terroristen!“, sagen Israels Politiker im Sprechchor.
Es kann aber auch anders gehen. Nach den ersten Emotionen kann es in Washington zu einer neuen Besinnung kommen. Vernünftige Stimmen werden fragen: Warum herrscht in der ganzen islamischen Welt so eine große Wut auf uns? Ohne diese Wut könnte ein Mann wie Ussama Bin Laden gar nicht operieren. Und nur die Empörung über die israelische Besatzung der palästinensischen Gebiete und deren Unterstützung durch die USA hat die arabischen Massen dazu geführt, den Terrorismus zu bejahen.
Terror ist die Waffe der Schwachen, der Ohnmächtigen. Terroristen sind wie Moskitos – wenn man sie totschlägt, kommen neue. Um dem ein Ende zu setzen, muss man die Sümpfe trockenlegen. Und der größte Sumpf, der die Wut erzeugt, ist das Palästinaproblem. Man muss den Palästinensern helfen, die Besatzung loszuwerden und ihren eigenen Staat zu gründen, damit der Nährboden für die Terrororganisationen in der arabischen Welt verschwindet. Hoffentlich werden die Amerikaner das einsehen. Noch vor ein paar Wochen hieß es in Washington: „Lasst sie bluten!“ Damit waren Palästinenser und Israelis gemeint. Die USA wollte sich aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt zurückziehen. Aber der Konflikt ist ihnen gefolgt – bis ins Haus. URI AVNERY
Der Autor war Abgeordneter im israelischen Parlament und lebt als Publizist in Tel Aviv.
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