: „Die Blicke sind nicht mehr die gleichen“
■ Das Interreligiöse Forum setzt auf Dialog. Muslime berichten von Beleidigungen
Adil Celik lebt seit 20 Jahren in Deutschland und hatte bisher nie Probleme mit seinen Hamburger MitbürgerInnen. Aber seit den Attentaten in den USA ist alles anders: Er hat eine Kneipe, gleich gegenüber einer Schule, „aber jetzt kommt keiner mehr“, erzählt er traurig. Und seiner Frau hätte in der U-Bahn eine ältere Frau das Kopftuch heruntergerissen. Einen Tag zuvor hatten Jugendliche den Platz neben ihr mit den Worten „lass uns mal von der Mörderin weggehen“ verlassen.
Geschichten wie diese, erzählen fast alle Muslime, die Mitglieder des Interreligiösen Forums sind, das am Dienstagabend in die Moschee an der Außenalster gebeten hatte. „Die Blicke sind nicht mehr die gleichen“, sagt Mustafa Yoldas, Vorstandsmitglied der Schura, die 48 muslimische Gemeinden und Vereine in Hamburg vertritt. Er erzählt von einem siebenjährigen Jungen, der auf dem Spielplatz von Jugendlichen gefragt wurde, ob er Moslem sei. „Er hat nein gesagt, und dass sein Vater Spanier sei.“ Das war gelogen, zeigt aber, „dass Muslime nicht mehr wagen, sich zu ihrem Glauben zu bekennen“.
Dabei verurteilen sie die Attentate ebenso wie alle anderen. Das müssen sie in diesen Tagen allerdings besonders oft betonen. „Wir bekennen uns zum Rechtsstaat. Viele von uns können ihrem Glauben hier freier nachgehen als in ihren Heimatländern. Das würden wir verteidigen, auch wenn sich herausstellen sollte, dass Muslime hinter den Attentaten stecken“, sagt Yoldas. In den Gemeinden der Schura seien die drei Attentäter, die auch in Hamburg gelebt haben sollen, übrigens nicht in Erscheinung getreten. Yoldas rief MitbürgerInnen, aber auch Politiker zu Besonnenheit auf.
Die Mitglieder des Interreligiösen Forums drücken Trauer und Mitgefühl mit den Opfern und ihren Angehörigen in einer gemeinsamen Erklärung aus, und betonen: „Alle Religionen sind dem Frieden verpflichtet.“ Die Terroristen hätten sie missbraucht, um ihre Unmenschlichkeit zu kaschieren. Für die Angehörigen der verschiedenen Glaubensgruppen steht fest, dass sie ihren Weg des Dialogs jetzt erst recht fortsetzen: „Wir fühlen eine innere Entschlossenheit“, sagt Oliver Petersen vom Tibetischen Zentrum.
Die bevorstehende Aufhebung des Religionsprivilegs berührt sie nur mäßig, die meisten von ihnen wussten gar nichts von seiner Exis-tenz. Seine Aufhebung halten sie aber auch für ein ungeeignetes Instrument im Kampf gegen den Terrorismus. „Solche Leute organisieren sich kaum in eingetragenen Vereinen, sondern eher in informellen Zirkeln“, vermutet Schura-Mitglied Norbert Müller. Gegen Terroristen hätte der Rechtsstaat geeignete Instrumente. Müller befürchtet, dass der Staat sich handlungsfähig zeigen muss, und dabei zu untauglichen Maßnahmen greift. Wolfgang Vogelmann, Ökumenebeauftragter der Nordelbischen Kirche, weist darauf hin, dass das Ende des Religionsprivilegs auch ganz unbeabsichtigte Folgen haben kann. „Was passiert beispielsweise mit dem Kirchenasyl? Auch das wäre dann unter Strafe zu stellen.“
Sandra Wilsdorf
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