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Kein Sprit - Swissair am Boden

Die Schweizer Traditions-Fluglinie ist pleite und wird zerschlagen. Die Flugzeuge konnten gestern wieder nicht starten, weil die Firma kein Geld für Treibstoff hatte. Gefährdet sind auch die Töchter Sabena und LTU. Lufthansa profitiert mit Ersatzflügen

von ANDREAS LAUTZ

Die Schweizer Traditionsfluglinie Swissair ist bankrott. Die meisten ihrer Maschinen blieben gestern erneut am Boden. Betroffen waren 19.000 Passagiere auf 262 Flügen, teilte die Konzernleitung mit. Bereits am Dienstagnachmittag hatte Swissair den Betrieb eingestellt, da sie den Treibstoff für die Flugzeuge nicht bezahlen konnte. Ob die Flugzeuge heute wieder starten können, ist unklar.

Am Dienstagabend einigte sich Swissair-Chef Mario Corti mit den Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse, die siebzig Jahre alte Fluggesellschaft zu zerschlagen. Der Flugbetrieb geht an den Baseler Regionalanbieter Crossair, an der die Swissair bislang 70,4 Prozent der Anteile hielt. Diese werden von den Banken zum aktuellen Börsenkurs übernommen. Im Bereich Flugbetrieb der Swissair werden deshalb 2.560 der insgesamt 10.000 Stellen wegfallen. Insgesamt kostet dieser Sanierungsplan die Banken rund eine Milliarde Franken (rund 600 Millionen Euro). Alle Teile der Swissair-Gruppe, die nicht an Crossair übergehen, gehören in die Konkursmasse.

Crossair wird ab dem 28. Oktober zwei Drittel des Fluggeschäfts übernehmen und die ersten Langstreckenflüge starten. Schon jetzt versucht sie, die Ausfälle bei Swissair mit Zusatzflügen auszugleichen.

Die Aktionäre der Swissair reagierten angesichts der Pleite prompt: Sie verkauften. Nachdem der Handel zwei Tage ausgesetzt war, fiel die Aktie zeitweise auf unter 2 Franken. Am Freitag war sie noch 41,05 Franken wert gewesen.

Angesichs der verschiedenen Beteiligungen, die Swissair an anderen europäischen Fluggesellschaften hält, könnte es in der europäischen Luftfahrtbranche jetzt zu weiteren Aufspaltungen oder Übernahmen kommen. Wegen der weltweiten Wirtschaftsflaute und den Verlusten durch Flugunterbrechungen nach dem 11. September leidet die Branche insgesamt.

In Gefahr ist vor allem die belgische Sabena, an der Swissair 49,5 Prozent der Anteile hält. Noch in dieser Woche hätten die Schweizer 200 Millionen Franken frisches Geld für die Sanierung der ebenfalls schwer angeschlagenen Tochterfirma zahlen sollen, waren dazu aber nicht in der Lage.

Daraufhin trat die Brüsseler Regierung am Dienstag zusammen, um über mögliche Finanzhilfen zu beraten. Der Staat hält die restlichen 50,5 Prozent der Anteile an Sabena. Premierminister Guy Verhofstadt kündigte an, die im Sommer zunächst zu den Akten gelegte Schadensersatzklage gegen Swissair wieder aufzunehmen. Damals war von einer Schadensersatzsumme von mehr als 1 Milliarde Euro die Rede, falls Swissair seinen Verpflichtungen nicht nachkomme.

Die Sabena-Belegschaft hat inzwischen den Sanierungsplan des Vorstandsvorsitzenden Christoph Müller gebilligt, wonach 1.400 der insgesamt 12.000 Stellen gestrichen werden. Die Piloten beendeten ihren Streik.

Gefährdet ist auch der Düsseldorfer Ferienflieger LTU, an dem Swissair ebenfalls knapp 50 Prozent hält. Der Handels- und Touristikkonzern Rewe besitzt weitere 40 Prozent, die Kölner CKA-Unternehmensverwaltung, hinter der das Bankhaus Sal. Oppenheim und die Versicherung Axa Colonia stehen, den Rest. Das Problem: Nach Aussage von LTU-Chefs Sten Dauggaard reichen die liquiden Mittel zwar noch bis Frühjahr 2002. Doch dann müsste Swissair erneut einspringen, denn die Schweizer haben vertraglich zugesichert, bis 2005 alle weiteren LTU-Verluste zu übernehmen.

Die Deutsche Lufthansa profitierte zunächst von der Krise in der Schweiz. Am Mittwoch bot sie auf den Strecken München–Zürich und Frankfurt–Zürich Zusatzflüge an. Ob sie bestehen bleiben, hänge von der weiteren Entwicklung bei Swissair ab, so eine Sprecherin des Konzerns.

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