: Märchenstunde der blauen Teufel
■ American Football: Die Blue Devils feiern überraschend ihren zweiten Meistertitel nach 1996
Trainer Kent Anderson fühlte sich wie im Märchen von Aschenbrödel. „Das ist wie eine Cinderella-Story. Ich bin einfach nur stolz auf mein Team“, kommentierte der Amerikaner den 31:13-Sieg seiner Hamburg Blue Devils gegen die Braunschweig Lions im 23. German Bowl. Das Finale um die Deutsche Meisterschaft im American Football war am Samstagabend in Hannover ein großer Erfolg für den 38-Jährigen aus Iowa. Drei Mal hatte er in den Vorjahren mit den „Löwen“ die Meisterschaft geholt, nun führte Anderson die „blauen Teufel“ aus dem Nichts zum zweiten Titel nach 1996.
Vor einem Jahr, als der Erfolgscoach von Braunschweig nach Hamburg wechselte, wollte keiner von den Blue Devils etwas wissen. Der Verein stand finanziell vor dem Ruin, die Mannschaft hatte nur einen Sieg in der ganzen Saison errungen. Dennoch heuerte Anderson beim Nordrivalen an. „Das war für mich eine Herausforderung, ich wusste nicht, was für Karten ich hatte. Das Risiko lag aber auf beiden Seiten. Die Blue Devils boten mir einen Fünfjahresvertrag bis 2005 an, die Lions wollten immer nur um ein Jahr verlängern“, erzählte Anderson mit einem kleinen Seitenhieb auf den früheren Arbeitgeber. Anderson nahm den besten Lions-Akteur, Estrus Crayton, mit nach St. Pauli ans Millerntor.
Dort, wo zuvor mit dem Aufstieg des FC St.Pauli in die Fußball-Bundesliga ein erstes Märchen aufgeführt wurde. Mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft haben die Blue Devils nun die Sage von der Wunderbühne Millerntor fortgesetzt, bevor sie in der nächsten Saison wieder in der mythenlosen AOL-Arena spielen werden.
Denn immerhin stürmten die Devils ohne Niederlage ins Finale der German Football League, wo die Taktik des Lions-Cheftrainers Troy Tomlin nur bis zum 7:7-Halbzeitstand aufging. Sieben Jahre hatte Tomlin als Assistent an der Seite von Anderson gestanden. An der Niederlage im Duell „Lehrling gegen Meister“ hatte der 32-Jährige mehr zu knabbern, als er öffentlich zugeben wollte. „Der Sieg der Blue Devils ist hoch verdient. Sie haben eine tolle Saison gespielt“ sagte Lions-Manager Peter Beute.
Statt Crayton, den die Lions gut deckten, avancierte Quarterback Matthew Cannon zum Hauptakteur der Blue Devils. Die 23 193 Zuschauer wählten den gläubigen Mormonen per SMS zum wertvollsten Spieler des Finales. „Cannon war nicht der Matchwinner, er hat die Auszeichnung aber verdient. Gewonnen hat unsere starke Verteidigungsgemeinschaft. Unser Selbstvertrauen ist von Viertel zu Viertel und von Spielzug zu Spielzug gestiegen“, analysierte Anderson die lange Zeit sehr offene Partie. Für Cannon war die erste German Bowl ein besonderes Erlebnis. „Zuvor hatte ich nur einmal mit neun Jahren in einem Finale gespielt“, sagte Cannon anschließend . Peter Hübner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen