: Hinter schwedischen Gardinen
Wegen des großen Erfolgs: Die Regisseure Ralf Siebelt und Winfried Tobias wollen nach „Die Kannibalen“ weiter Theateraufführungen in Santa Fu organisieren ■ Von Elke Spanner
Werden Pädagogik und Kultur verknüpft, ist dem Produkt Geringschätzung gewiss. Videodrehen in der Vorschulklasse und Malgruppen für Arbeitslose stehen für das pädagogische Ziel, individuelle Freizeitgestaltung aufzuzeigen, und weniger dafür, künstlerischen Fähigkeiten Ausdruck zu verleihen. Die Produzenten des Theaterstücks Die Kannibalen aber sind ausdrücklich nicht als Kunsttherapeuten nach Santa Fu gegangen. Sie sind professionelle Regisseure und wollten professionell ein Stück erarbeiten. Dass das bereits auf den Beifall von über 1000 ZuschauerInnen traf, hat sie selbst überrascht.
Nun wollen die Regisseure Ralf Siebelt und Winfried Tobias kontinuierliche Theater- und Kunstarbeit im Fuhlsbütteler Männerknast ermöglichen. Sie haben die Web-Adresse www.theaterimknast.de eingerichtet, unter der freie Kulturschaffende Projektideen vorstellen können.
Hinter den Mauern, sagen Siebelt und Tobias, sitzen verborgene Talente. Denn die Männer, die im Bild der Öffentlichkeit einseitig als Mörder, Räuber, Dealer kategorisiert sind, haben ihr Vorleben nicht allein mit Einbrüchen und Gewaltakten verbracht. Einer der Santa Fu-Insassen hat als Stuntman gejobbt, ein anderer seine Zeit mit dem Schreiben von Kinder-Theaterstücken verbracht. Und auch in der Haftzeit kreisen die Gedanken der Gefangenen nicht allein um sich selbst.
Dennoch ist der Knast eine Binnenwelt. „Es fehlt das Fenster nach außen“, sagt der Gefangene Hans-Joachim Marx dazu. Dieser Kontakt nach außen soll über das virtuelle Produktionsbüro geschaffen werden. Angesprochen sind MusikerInnen, Theaterleute, FotografInnen und bildende KünstlerInnen, die ihre Ideen hinter Gittern umsetzen wollen. Vorbilder liefert die Compagnia della Fortezza in Italien und „Kunst im Knast“ in Irland.
Doch wenn das erste Theaterstück auch professionell auf die Bühne gebracht wurde: Dass diese im Gefängnis stand, war für die ZuschauerInnen nicht nur allgegenwärtig, sondern auch Konzept. Insofern spielt der Wunsch, gerade Gefangene über die Theaterarbeit an neue Lebenswelten heranzuführen, doch eine – wenn auch sekundäre – Rolle. Das erste Stück, Die Kannibalen, handelt von Gefangenen und den Umgang mit Gewalt. Und wenn Schaupieler Recep Soylu über seine Arbeit spricht, dann darüber, dass er sich bei den Aufführungen, in denen ihm Leute „von außen“ applaudierten, „endlich wieder als zur Gesellschaft zugehörig“ fühlen konnte.
Die Kannibalen läuft noch am 12., 14. (ausverk.), 19. + 21. 10., Karten im Thalia
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