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Der rechte Verteidiger

Erst nett, dann overdesignt, dann wieder im Kalten Krieg: Frank Steffelhat sich selbst vom CDU-Hoffnungsträger zum Problemfall gemacht

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Haben wir uns das mit Frank Steffel nicht einmal so vorgestellt wie einst im Mai? Da saß er bei sonnigem Frühlingswetter in den „Tegeler Seeterrassen“ beim CDU-Landesparteitag und gab den Hoffnungsträger. Die Fraktion hatte den 35-Jährigen zum Nachfolger von Fraktionschef Klaus Landowsky vorgeschlagen, der über die CDU-Parteispenden-Affäre gestürzt war. Steffel versprühte einen Hauch von Aufbruch in der verkrusteten Berliner Union. „Mein Politikverständnis ist, Menschen zusammenzuführen und nicht gegeneinander aufzubringen, auch über Parteigrenzen hinweg“, meinte er offenherzig. Er fand die Homoehe gut, wünschte sich „den Dialog mit den Grünen“ und setzte auf „Harmonie“ mit der SPD in der Großen Koalition. So sieht ein Siegertyp aus.

Und haben wir uns nicht auch das mit Frank Steffel im Wahlkampf so vorgestellt, als wäre da einer zum CDU-Spitzenkandidaten avanciert, der rank, schlank und mit frischem Schub die Partei nach dem Bruch der großen Koalition im Juni zwar nicht zum Wahlsieg, aber doch aus der Krise führen könnte. Einmal hat er sich das medizinisch-korrekt und sogar amtlich bescheinigen lassen. „Nur so zum Spaß“ hat Steffel auf einer Wahlkampftour durch die Neuköllner Gropius-Passagen den polizeilichen Rettungsdienst angesteuert, die Jacke ausgezogen und seinen Blutdruck messen lassen. Der war nicht optimal und hat ein Stirnrunzeln bei Steffel hinterlassen. Doch nicht lange. Die Analyse seiner Blutfettwerte glättete Steffels Stirn wieder. Die Punktzahl erbrachte einen „Superwert“, wie der Arzt ihm bescheinigte, bei 1,88 Meter Größe, 90 Kilogramm Gewicht. „Ich wirke dynamisch, so schnell kriegen die mich nicht unter“, sagte danach Frank, der Supermann.

Der Mai ist gegangen, die Polizeiuntersuchung Wochen her und im Berliner CDU-Wahlkampf ist das lässige Steffel-Bild Schnee von gestern. Vorbei sind die Zeiten, in denen Steffel und die Agentur „publicis“ fast jeden Tag ein noch schöneres „John F. Steffel“-Image konstruierten, das den Jungunternehmer wie einen Filmstar in Szene setzte. Geschichte ist die Phase, in der Steffel auf Plakaten und im Internet gleichermaßen auf Motorräder posierte, offene Hemden trug und eine Homestory nach der anderen erzählte. Marginal geworden ist auch Ehefrau Katja, die mit vermarktet wurde als nette First Lady, lächelnd am Tegernsee und glücklich daheim.

Seit die Meinungsumfragen der Union einen Absturz von über 40 auf 27 Prozent prognostizieren, fehlt Steffel manchmal selbst die Portion Restdynamik, die er noch hatte, obwohl im Stimmungstest sein SPD-Kontrahent Klaus Wowereit schon immer weit vor ihm lag. Die Lage sei „schwierig“ für ihn geworden, meint er nun und zeigt die offene Flanke, das Zeichen des Verlierers. Mehr noch. Die Nerven liegen blank, er hat keinen Bock mehr auf den Spaß am Rande, wo mit viel Fun und Konfetti Stimmung gemacht wurde. Die ist augenscheinlich auf dem Nullpunkt. Bei der Wahltour durch Schöneberg hält es den Kandidaten nur noch fünf Minuten, Flugblätter und Broschüren zu verteilen, weil niemand mit ihn das Gespräch sucht. Ab in den Wagen, nichts wie weg. Das Ja klingt genervt auf die Frage, ob der Wahlkampf noch anturnt. Fast weh tut es, Steffel leicht angegrippt bei einer Pressekonferenz im „CDU-Powerpoint“ mit Exfinanzsenator Peter Kurth, einem seiner innerparteilichen Gegenspieler, an den Nägeln kauen zu sehen. Und es scheint weniger Galgenhumor als Polemik, wenn Steffel vom „sicheren Ende des rot-grünen Übergangssenats“ spricht, den er aus den Angeln heben will.

Sein Wandel vom Hoffnungsträger zum Problemfall der CDU gleicht einer Pannenserie, die sich der Kandidat selbst zuzuschreiben hat. Zur ersten Pleite geriet das Kennedy-Image, als Steffel auf dem Alexanderplatz sich hinter Edmud Stoiber wegduckte, als Eier flogen. Ein echter Kennedy hätte das mit smartem Lächeln ertragen. Unwillen der Berliner erregte ein Bayernurlaub, gab Steffel doch eine Liebeserklärung ausgerechnet für München „als schönste Stadt Deutschlands und heimliche Hauptstadt“ ab. Es folgten der Max-Skandal und sein anschließender Auftritt in Michel Friedmans TV-Show, wo Steffel angesicht mangelnder Beratung, Größe und Einsichtigkeit seine diskriminierenden Jugendaussagen über „Kanaken“, „Mongos“ und „Bimbos“ nicht zurücknahm und „sang- und klanglos unterging“, wie der Tagesspiegel kalt konstatierte.

Von da ‚unten‘ kam der Kandidat nie wieder heraus. Er wollte es gar nicht, hat sich dort eingerichtet im schlechten Ruf aus Poltrig-, Peinlich- und Engstirnigkeit. Steffel ist im Wahlkampf außen und im Innern gealtert. Äußerlich sah man ihm den Stress an, die Bewegungen sind fahrig geworden. Sein jungenhaftes Gesicht ist blass und die Sprache samt Argumenten noch holzschnittartiger geworden.

Ortstermin Wittenbergplatz. Im schnieken Westen der Stadt. Steffels Stunde, die alten Suppentöpfe vom Lagerwahlkampf wieder aufzumachen. Dunkler Anzug, dunkle Stimme, dunkle Drohungen, Feindbilder. Altkanzler Kohl sekundiert dem „jungen Steffel“ und gibt Rückendeckung für die „Schicksalswahl, die er gewinnen muss“. Seit der rot-grüne Senat mit Hilfe der PDS die Stadt regiert, „ist die Linke die Gefahr für die Innere Sicherheit“, legt Steffel los. „Die Feinde der Freiheit“ stehen links und im Inneren für Steffel, nicht in Afghanistan, wie man denken könnte nach dem Anschlag am 11. September. Der Feind heißt PDS, der unter dem Namen SED „Terroristen unterstützt hat“ und nun Berlin, gemeinsam mit der SPD, „im sozialistischen Großversuch“ zu Grunde richten wird. Was wirkt besser auf die rot-grün geschockte CDU-Anhängerschaft, die hier zu Steffel blickt, als den Sack zuzumachen? „Berlin darf nicht nach Peking und Havanna die dritte sozialistische Hauptstadt werden.“ Man ist begeistert. Im konservativen Berliner CDU-Milieu kommt so was an, gibt es doch das Gefühl, die alten Wärmestuben Westberliner Provinienz nicht verlassen zu müssen. Aufbruch ist gefährlich, die sicheren Pfründen müssen bleiben und mit dem Antikommunismus lebt es sich bequem, wenn Steffel von der „Wiederherstellung der Deutschen Einheit“, den „gewaltigen Aufbauleistungen der Berlinerinnen und Berlinern“ und „dem Blick nach vorn mit denen, die sich den Werten christlich-abendländischer Kultur sowie der freiheitlichen Demokratie verpflichtet fühlen“, spricht. Da schließt sich der Kreis zum Muff der Frontstadt-CDU, Diepgen und Landowsky, als deren bester Schüler Steffel sich erweist.

Frank Steffel, meint ein CDU-Parteigänger, war nie ein feinsinniger Liberaler in der CDU. Der Kandidat behauptet sogar von sich das Gegenteil. Er sei ein „Polarisierer“, ein Westberliner Eigengewächs, dem die Mauer mächtig stank. Im traditionellen CDU-Milieu des nördlichen Stadtteil Frohnau gehörte dies zum Selbstverständnis. Dort ist Steffel aufgewachsen, spielte im Fußballklub rechter Verteidiger, baute sein Abitur, trat 1982 in die Junge Union ein und übernahm nach dem Studium der Betriebswirtschaft samt Promotion die Raumausstatterfirma seines Vaters. Der Ruf des Kalten Kriegers mit patzig-frecher Berliner Schnauze und „rüpelhaftem Gehabe“, wie sich Exbaustadtrat Rütters erinnert, haftet Steffel seit seinerzeit in der Reinickendorfer Bezirksverordnetenversammlung an.

Postskriptum bleibt die Erinnerung an einen CDU-Wahlkampf, der anders hätte sein können, lief es doch gut für Steffel an. Er holte die türkischstämmige Emine Demirbüken, die junge Ausländerbeauftragte von Tempelhof-Schöneberg, in sein Beraterteam und sammelte unabhängige Fachleute aus der Kultur, Industrie und Wirtschaft um sich. Hinzu kam, dass ihm mit Joachim Zeller als neuen CDU-Generalsekretär – einem Ostberliner und integrativen Bezirksfürsten – ein Coup gegen CDU-Landeschef Diepgens Kandidatin gelungen war und damit die Distanz zum so genannten „System Landowsky/Diepgen“.

Wer Steffel begleitete durch Krankenhäuser, Einkaufspassagen oder Quartiersmanagement-Zentren, hat einen Kandidaten erleben können, der zuhörte, erstaunt war und sich wundern konnte. Der sehr prägnant Argumente setzen konnte und sehr bedächtig um Überzeugung rang. Offen zeigen wollte, konnte er das nicht. Und vorstellen mag sich das jetzt keiner mehr.

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