piwik no script img

Schweigender Abschied von Adelina

Mit einem Schweigemarsch hat der Stadtteil Kattenturm gestern Abend Abschied von der zehnjährigen missbrauchten und ermordeten Adelina genommen. Deutsche und Ausländer, Erwachsene und Kinder hatten sich vor dem 13-stöckigen Hochhaus-Komplex versammelt, in dem das Mädchen nach einem Besuch bei ihrem Urgroßvater am 28. Juni dieses Jahres verschwunden war. Die Mutter hatte an jenem Abend vergeblich auf das Kind gewartet.

„Ich schätze den Aufmarsch auf 250 Personen. Is' nix Weltbewegendes“, berichtete der Kontaktbereichs-Polizeibeamte per Funk an seine Einsatzzentrale. Stillschweigend und mit brennenden Kerzen zogen die Menschen durch den Stadtteil zu dem zentralen Platz in Kattenturm, der nach der von den Nazis ermordeten Cato Bontjes van Beek genannt ist.

Am 8. Oktober – einen Tag vor ihrem elftem Geburtstag – hatte eine Pilzsammlerin die Leiche Adelinas in einem Waldstück bei Bremen gefunden. Vom Täter fehlt noch immer jede Spur. Am Vormittag waren rund 200 Gäste und auch viele SchülerInnen aus dem Stadtteil in die Kapelle des Huckelrieder Friedhofs gekommen, wo Adelina begraben wurde.

Der katholische Priester der Gemeinde in Kattenturm erklärte den Versammelten, der Tod des Mädchens mache ihn „sprachlos und wütend“. Den Sinn dieses Todes verstehe er auch nicht. Trösten könne nur der Glauben an den Gott, der Leben schenkt. Pfarrer Rüdiger Kurz von der Abraham-Gemeinde, der auch die Trauerfeier am Vormittag gehalten hatte, erklärte zu den Versammelten auf dem Cato-Bontjes-van-Beek-Platz, die Ewigkeit sei die Begegnung mit dem Gott, der auch Gericht hält. Als die Kerzen, die während des Schweigemarsches getragen worden waren, vorn abgestellt wurden, bemerkte einer der Teilnehmer des Trauermarsches: „Ich würde den ersten Stein nehmen...“

Die Sozialsenatorin Hilde Adolf zeigte sich „überzeugt, dass nicht nur Gewalt, sondern auch Menschlichkeit ansteckend ist“. Während die Geistlichen vor der kleinen Versammlung ein Gebet sprachen, tobten im Hintergrund die fröhlichen Kinder auf einem Spielplatz.

K.W./Foto: Julia Baier

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen