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olympiafieberKandidat für die Spiele 2012 ist: Frankfurt

Große Visionen, kurze Wege

Am 3. November wird das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) bekannt geben, ob es sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele 2012 bewerben wird. Wie die Entscheidung ausgeht, scheint bereits abgemachte Sache, spannend ist allein noch die Frage: Welcher deutschen Stadt traut das NOK zu, gegen Metropolen wie Rom, New York oder Paris bestehen zu können? Die taz nimmt die Kandidaten unter die Lupe. Heute: Frankfurt.

Frankfurt am Main und Machbarkeit – das passt ungefähr so zusammen wie CSU und Homosexualität. Dachte bislang der unfähige Stadtregierungen, Korruption und planerische Katastrophen gewohnte Frankfurter. Die Einheimischen hatten jedenfalls nur höhnisches Gelächter übrig, als erste Absichtserklärungen, Olympische Spiele ausrichten zu wollen, an die Öffentlichkeit drangen. Und dann legte vergangene Woche die Stadt Frankfurt durch Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) plötzlich eine Studie für die Bewerbung zu Olympia 2012 vor, die die Münder offen stehen ließ. Selbst Albert Speer, renommierter Frankfurter Stadtplaner, der jedoch diesmal für die Konkurrenz in Leipzig arbeitet, staunte: „Nicht schlecht, dieses Konzept der kurzen Wege.“ Dass er nicht selbst in Frankfurt am Olympiakonzept Hand an ein Konzept angelegt hat, erklärt er mit einer typischen Besonderheit seiner Heimatstadt: „Als ich von Leipzig angefragt wurde, hatte sich Frankfurt noch gar nicht entschlossen, ob es sich überhaupt bewerben soll.“

In der Kürze der Zeit – und das war vielleicht der Vorteil – haben sich seine Kollegen von Arthur Andersen mit Jochem Jourdan als federführendem Architekten erst gar nicht mit kleinteiligen Lösungen aufgehalten, sondern gleich die große Vision hingeworfen: Ein Olympia mit zwei zentralen Standorten, die kaum fünf Kilometer voneinander entfernt sind. Dazu eine S-Bahn-Ring-Vernetzung über den Hauptbahnhof mit dem „Olympia-Express“, dessen Gleiswerk bis auf eine kleine Lücke schon jetzt vorliegt. Eine weitere Mainbrücke soll die übrigen Verkehrsströme kanalisieren, Autobahnen und der Flughafen liegen ohnehin vor der Haustür. Auf der nördlichen Mainseite, auf dem Rebstockgelände, soll das Olympia-Herz schlagen mit Olympia-Stadion, Olympiapark, einer Großsporthalle, Schwimm- und Hockeystadion, dem Olympischen Dorf und Pressezentrum. Die Hallen des nahe gelegenen Messegeländes und die Festhalle sind für Ballsportarten und das Boxturnier vorgesehen.

„Ein Konzept der allerkürzesten Wege“, sagt Planer Jourdan, „Sportler und Zuschauer können die Austragungsorte zu Fuß erreichen.“ Zweites Zentrum wäre auf der anderen Flussseite das Areal um das neue Waldstadion mit Tennis-Arena und Radstadion. 70 Prozent aller Wettkämpfe sollen direkt in Frankfurt stattfinden.

Clever ist auch die Idee der Planer, für die übrigen Veranstaltungen von vornherein das Umland mit den Städten Wiesbaden (Ruder, Kanu, Reiten), Darmstadt (Triathlon, Fußball), Hanau (Bogenschießen, Beachvolleyball), Offenbach (Fußball), Mainz (Baseball), Rüsselsheim (Hockey, Judo) und Aschaffenburg (Kanu, Wildwasser) einzubinden, die in einem Radius von nicht mehr als 30 Kilometer um Frankfurt herum angesiedelt sind.

So weit die Theorie, in der Praxis aber trifft das Konzept auf zwei gravierende Probleme: Zum einen den Faktor Zeit. Zwischen einem theoretischen Zuschlag durch das IOC im Jahre 2006 und den Olympischen Spielen 2012 müssten nicht nur Sportstätten und Brücke gebaut werden, es müssten auch zahlreiche bisherige Nutzer des Geländes weichen und für sie Ersatzflächen gefunden werden: Das städtische Busdepot, TÜH, einige Firmen sowie das größte Parkhaus Europas, das gerade erst fertig gestellt wurde. Zweites Problem: Ein Großteil des Geländes am Rebstockareal gehört der Bundesbahn – und die hatte ursprünglich geplant, dort einen neuen Stadtteil, das Europaviertel, zu bauen.

Letztlich wird alles eine Frage des Geldes sein – und das könnte die bislang vermuteten Olympia-Kosten von drei Milliarden Mark deutlich nach oben treiben. Doch das ficht die „Olymp-Ja-Fraktion“ im Frankfurter Römer, die bis auf die PDS durch alle Parteien geht, nicht wirklich an. Schon wird im internationalen Maßstab an die europäische Konkurrenz gedacht und folgende kühne These entwickelt: Wir haben die höchsten Häuser, einen zentraleren Flughafen als London, das gleiche Verkehrschaos wie Rom und sprechen besser englisch als die Franzosen – wenn Olympia in Europa, dann in Frankfurt. MATTHIAS KITTMANN

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