: Betr.: Kultursenatorin
Bewerbungsschreiben für einen in Hamburg lange Zeit vakanten Posten
Lieber Ole, lieber Barnabas, lieber Konterrudi,
gestern, als ich in der Wanne lag, hat das Telefon ein paarmal geklingelt. Leider hab ich’s nicht mehr rechtzeitig rausgeschafft, mit meinem Rücken geht das nicht mehr. Ich bin aber sicher, dass ihr das wart, schließlich telefoniert ihr ja gerade herum wegen einer Kultursenatorin.
Ich bin denkbar gut für den Posten geeignet, weil ich das Kulturgeschäft in Hamburg seit Jahren aus dem Effeff kenne. Nicht nur, weil ich regelmäßig die Kinovorschau in der Morgenpost lese, sondern auch im gleichen Café wie manchmal Roger Willemsen verkehre, und der ist sogar im Fernsehen. Kaffee trinken kann ich gut und durch irgendwelches politisches Engagament bin ich auch noch nie unschön aufgefallen. Außerdem bin ich persönlich bekannt mit Harry Rowohlt, jedenfalls beinahe, und Marius Müller-Westernhagen hätte mich auch schon mal fast gegrüßt, dabei meinte er aber die Frau hinter mir. Auch mit Ex-Gildo war ich quasi auf Du und Du, weil er einmal meinen Kugelschreiber eingesteckt hat.
Wichtig ist vermutlich, dass man gut mit Geld kann, bei eurem Kulturetat. Ist kein Thema, schließlich hatte ich nicht nur drei Jahre die Haushaltskasse in unserer Studenten-WG, ich habe auch bis zu meiner Verrentung die Kegelkasse von unserem Büro verwaltet. (Wir konnten davon zweimal im Jahr Ausflüge machen, weil ich ein billiges Busunternehmen wusste.)
Nach der Wanne gestern ging’s mir richtig gut, da habe ich schon mal ein Konzept ausgearbeitet:
Bildende Kunst: Bilder sind okay, aber müssen es immer so teure Schinken sein? Wenn man beispielsweise in der Kunsthalle ein paar billigere Sachen aufhängen würde, könnte man gleichzeitig am Wachpersonal sparen.
Theater: Sehr wichtig! Allerdings gibt es zu viele – ein paar weniger würden’s auch machen. Schließlich kann man sich sowieso immer nur eine Aufführung pro Abend ankucken. Und dem Stromtal, oder wie der heißt, muss man ein bisschen Druck machen. Der soll sich mal den modernen Kram verkneifen und was Ordentliches spielen. Warum nicht mal den „Bettelstudenten“? Das ist so ein herrliches Stück!
Oper: Da war ich auch schon mal! Beim Adventssingen mit der Hamburg-Welle. Aber eigentlich haben wir so schöne Musicals in der Stadt, da kann die Oper auch wech.
Ballett: Kann ich nicht (mein Rücken, siehe oben)
Musik: Diese lauten Hick-Hock-Sachen muss ich nicht haben. Punk ist okay, die haben ja inzwischen alle die Haarfrisur vom Barnabas.
Bedingungen: Stell ich keine. Muss ich die Kohle mit meiner Rente verrechnen, oder krieg ich die obendrauf ? Dienstwagen muss ich auch nich, die Akten krieg ich in meinen Hackenporsche.
Hm, eins hätte ich doch noch: Sind jetzt schon alle Staatsratsjobs weg? Sonst würde ich gern einen Bekannten von mir, den Torsten, empfehlen. Der hat im Moment ein bisschen Zeit und könnte mir ein wenig zur Hand gehen. Es gibt ja immer mal was zu kopieren oder schmutzige Kaffeetassen wegzutragen.
EURE FANNY MÜLLER
Anmerkungen für Nicht-Hamburger: „Ole“ ist der neue Bürgermeister Ole von Beust; „Barnabas“ ist der neue Innensenator Ronald Barnabas Schill; „Konterrudi“: Lange ist Konteradmiral; „Haarfrisur“ ist ein Hamburger Ausdruck für Frisur; „Kaffee trinken kann ich gut“ usw. bezieht sich auf die ehemalige K.-Senatorin
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