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die königin, die tasse und ich

von HARTMUT EL KURDI

Jeden Morgen, wenn ich meinen Morgentee zu mir nehme, schaudert es mich. Traditionell trinke ich das edle mahagonifarbene, aber in Deutschland tragischerweise durch die Achtzigerjahre-Alternativbewegung in sockige Zusammenhänge gestellte und somit übel beleumundete Getränk aus einem englischen „mug“, den ich einmal von meiner in London lebenden Schwester geschenkt bekommen habe. Im Jahr 1992.

Normalerweise merke ich mir nicht, wann mir wer was geschenkt hat. In diesem Fall ist es jedoch anders und einfach. Auf der Tasse steht: „40th Anniversary of HM Queen Elisabeth 1952 – 1992“, und ein Bild der frostig-tantigen, nunmehr fast 50 Jahre regierenden Königin prangt mittig auf dem Trinkbecher. Vielleicht sollte ich besser im Imperfekt sagen: prangte. Denn vor fünf Jahren schaffte ich mir eine Geschirrspülmaschine an, weil ich ahnte, dass diese Maschinen eine Art materialisiertes menschliches Glück darstellen. Befreit von der täglichen Last des Soßenkrustenlösens und Angetrocknetenmilchschaumabschrubbens und vor allem Überdenabwaschstreitens lässt es sich befreit aufleben, und die eigene Existenz wird zu einem nimmer enden wollenden Kindergeburtstag. Aber dieses küchenhygienische Prozac hat auch seine Tücken.

Eigentlich neige ich nicht zu esoterischem Kokolores, und selten habe ich so herzhaft gelacht wie über die Rudolf Steiner’sche Theorie vom „zweiten Jesus“, aber dennoch werde ich das Gefühl nicht los, langsam aber sicher zum Königinnen-Mörder zu werden. Mit jeder Geschirrspülmaschinenwäsche verblasst das Bild der Queen um mehrere Grade. Aufgrund des unterschiedlichen Ausbleichungpotenzials der benutzten Farben sah „E II“ eine Zeit lang aus wie eine Negerkönigin aus Tacka-Tucka-Land, denn sowohl ihr ehemals blaues Kleid als auch das sorgfältig um das Kissengesicht drapierte Haupthaar war kaum noch zu erkennen, die einst rosafarben angelegte Gesichts- und Dekolletéfarbe dunkelte aber dagegen ins Braune spielend nach. Doch auch diese körperlos, geisterhaft schwebend wirkende Erscheinung wird nun stetig undeutlicher. Irgendwann wird auch sie verschwinden. Und ich weiß, dann ist sie von uns gegangen, Elisabeth Windsor, Königin von Großbritannien und Nordirland, Haupt des Commonwealth. Prinz Charles, das menschliche Tampax, wird den Thron besteigen, England zum biodynamischen Landbau bekehren und die Architektur der Moderne in Schutt und Asche legen.

Das ist mir eigentlich egal, dennoch fröstelt es mich bei dem Gedanken, dass ich diese Ereignisse beschleunigen oder verlangsamen kann. Ich könnte die Tasse zum Beispiel einfach ins Regal stellen und der Angelegenheit ein Moratorium verordnen. Aber ich kann nicht anders: Ich muss ihn allmorgendlich benutzen, den „killing mug“.

Zur Hochzeit von Charles und Diana im Jahr 1981 schenkte mir meine Schwester übrigens auch schon eine Tasse. Kein Wort über das Schicksal dieses Trinkgefäßes! Manchmal muss man auch ein wenig Hoffnung zulassen . . .

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