piwik no script img

Esther, weg – ohne Abschied

■ Schülertheaterstück eröffnet die Ausstellung „Jüdisches Leben in der Bremer Neustadt“

„Liebe Erna, leider konnte ich mich nicht persönlich von dir verabschieden!“ Mit diesem Satz schließt ein Theaterstück über den NS-Schulalltag, das SchülerInnen am Montag in Bremen aufgeführt haben. Die kleine Esther muss die Schule verlassen – ob sie als Jüdin den Weg ins Exil einschlägt oder in ein Konzentrationslager deportiert wird, lässt das Stück offen.

Gespielt wurde Esther von einer Schülerin der Klasse 6a der Schule am Leibnizplatz. Zusammen mit anderen KlassenkameradInnen unterstützte sie so die Eröffnung der Ausstellung und der Veranstal-tungsreihe „Das Jüdische Leben in der Bremer Neustadt“, die die Arbeitsgemeinschaft „Stadtteilgeschichte Bremen-Neustadt“ auf die Beine gestellt hat.

Das Theaterstück veranschaulicht die Veränderungen des Schulalltags zwischen 1933 und 1936 in zwei Szenen. Einige der anwesenden BesucherInnen werden sich an den eigenen Schulalltag erinnert haben. Die beiden Ehrengäste Lotte Noam und Fred Johnson beispielsweise, die als JüdInnen durch die NS-Verfolgungspolitik zur Auswanderung gezwungen wurden. Fred Johnson war selbst Schüler der Schule am Leibnizplatz gewesen – bei seinem ersten Besuch vor Jahren in Bremen war ihm dort der Zutritt verwehrt worden. Aber am Montag waren einige ehemalige Bremer KlassenkameradInnen gekommen.

Die SchülerInnen stellten sehr konzentriert dar, wie Schule im Nationalsozialismus aussah: Berufsverbote für LehrerInnen, allenthalben obligatorischer Hitlergruß – und ein Lehrplan, in dem die rassistische und antisemitische Politik des Regimes sich bis in simple Dreisatz-Rechenaufgaben niederschlug. Das Stück zeigte auch, wie SchülerInnen während der NS-Zeit ausgegrenzt wurden, weil sie von der NS-Ideologie abwichen. Esther und eine Schulkameradin, die den Hitlergruß verweigerte, wurden von der Gemeinschaft isoliert.

Kennengelernt haben die SchülerInnen das Theaterstück durch den Besuch einer Geschichtswerkstatt. „Wir fanden es gut“, sagt eine Darstellerin. So habe sich die Lehrerin um einen Aufführungsort bemüht. Auf die Frage, was sie an dem Stück angesprochen habe, antworten sie, es würde ihnen die NS-Geschichte näherbringen. „Es war damals nicht toll“, resümieren sie. „Schüler wurden schlecht behandelt.“ Dass Verfolgung wie in der NS-Zeit sich wiederholen könnte, ist für sie unvorstellbar.

Doro Wiese

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen