: Wie der Euro Schulden halbiert
■ Die Werbung für den Euro läuft kurz dem „Tag X“, auf Hochtouren: PR für die Plebejer, Optimismus vom Chefökonom für Banker und Parlamentarier
„Die Fragen am Info-Stand werden konkreter und weniger prinzipiell“, sagt Angela Joosten. „Zwei Monate vor der offiziellen Einführung merken die Bürger, dass es ernst wird mit dem Euro.“ Seit acht Monaten tourt sie für die Aktionsgemeinschaft Euro von Bundesregierung und EU durch die Republik und wirbt für die Währung, die ab 1. Januar der D-Mark den Garaus macht. Gestern war PR-Termin auf dem Hanseatenhof.
Die Skepsis der Bundesbürger ist größer als bei den meisten Nachbarn, wusste Ilse Janz, Europa-Abgeordnete der SPD, zu berichten. „Die Geschäfte haben viel zu spät mit der doppelten Preisauszeichnung begonnen“, ärgert sie sich. „Deswegen müssen sich jetzt auch die Bremer umso schneller an den Euro gewöhnen.“
Direkt-PR-Profi Angela Joosten versprüht ungebrochenen Optimismus. „Wenn die Leute den Euro erst mal in der Hand haben, wird er durch seine praktischen Vorteile von selbst überzeugen. Zum Beispiel durch die Möglichkeit, von Helsinki bis Andalusien die Preise unmittelbar vergleichen zu können.“ An diesem Effekt hat Joosten hart gearbeitet: Keine Frage, auf die sie nicht die Antwort parat hätte. Daueraufträge? Werden umgerechnet und laufen von selbst weiter. Nickelgehalt wegen Allergie? Meist null, bei Ein- und Zwei-Euro-Stücken gesenkt. Passen die Scheine ins Portemonnaie? Okay, sie sind etwas größer, aber das geht schon. Korrosions- und Gammelgefahr? Eigentlich ist die Währung für die Ewigkeit gemacht, es sei denn, man tunkt sie jahrelang in Cola. Die Rente? Mein Gehalt? Auch Wirtschaftssenator Josef Hattig war gestern da. „Das Guthaben halbiert sich, aber die Schulden und die Preise auch“, scherzt er.
Eigentlich ist dem Wirtschaftssenator nicht recht zum Argumentieren zu Mute auf dem nasskalten Hanseatenhof. „Sollen doch die anderen heute reden“, mault er. Ihm mag der heute im Parlament behandelte Misstrauensantrag gestern die Laune vermiest haben. Doch auf Nachfrage spult auch er brav seine Argumente ab: „Bremen ist als Hafenland auf Exporte angewiesen, durch den Wegfall der Wechselkurse vereinfacht sich der Handel.“
Die Profi-Eurobefürworter scheinen nach Jahren der Pro- und Contra-Debatte und doppelter Referenden im euro-renitenten Dänemark etwas gelangweilt von ihren eigenen, ewig wiederholten Argumenten. Einzig Angela Joosten bleibt frisch, fast so, als wären die Bremer die ersten, die ängstlich und unkundig allerlei Sinniges und Abstruses wissen wollen. Nur die Geschwindigkeit ihrer Sätze verrät, dass sie bestimmte Argumente schon tausend Mal entkräftet hat.
Ganz andere Kreise ließen suich am Dienstagabend im Plenarsaal der Bürgerschaft agitieren. DAS Bürgerschaftspräsidium und der Boss der Deutschen Bank in Bremen, Matthias Pfeiffer, hatten den Wirtschaftsprofessor und Chefökonomen der Deutschen Bank in Frankfurt, Norbert Walter, eingeladen. Vor dem eloquenten Euro-Fan zumeist beschlipste Überfünfziger, darunter Banker und Bürgerschaftsabgeordnte, auch Schüler aus drei Wirtschaftsleistungskursen. Walter lobte auch nicht die logistische Meisterleistung, 800 Tonnen Münzen allein im Lande Bremen unters Volk zu bringen – mehr als ein Kilo pro Bremer Nase. Der Volkswirt verteidigte mit blumigen Worten die Stabilität der neuen Währung. „Die Europäische Zentralbank ist von der Rippe der Bundesbank“, predigte er. „Sie ist in den Übereinstimmungen mit ihrem Adam genauso gut, in den Unterschieden sogar besser als ihr Vorgänger. Wie Eva.“
So habe nach der nominellen Umstellung auf den festen Wechselkurs 1999 die Inflation in der Bundesrepublik trotz angeblich unsicherer EU-Kantonisten von 3,5 auf zwei Prozent gedrückt werden können. Dass der Abschied von der „harten“ Mark schwerfällt, bestritt Walter indes nicht. Sein Filialkollege Pfeiffer machte für die bundesdeutsche Unlust am Euro vor allem die Brüsseler Beamten verant-wortlich. „Scheiß-Bürokratie“, schimpfte er am Ende einer Diskussion mit dem Grünen Hermann Kuhn, als Radio Bremen die Kamera ausgeschaltet hatte.
Joosten ist froh, dass sie sich demnächst wieder anderen Themen zuwenden darf. Am 17. Dezember endet ihre Rundtour mit der 100. Station. Ganz Schluss ist dann noch nicht. Solange noch mit Mark bezahlt werden darf – also bis zum 28. Februar 2002 – steht sie telefonisch für Fragen jeglicher Art weiter zur Verfügung. „Für die, die bis dahin nichts gemerkt haben“, unkt sie.
Thomas Gebel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen