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Letzte Zigarette in Hong-Kong

■ Überinszeniertes Drama: Riley Ips Film „Metade Fumaka“

Rauchen und Zeit hängen zusammen. Wer Tabak hat, braucht Zeit. Zeit, um sich an andere, frühere Zigaretten zu erinnern, Zigaretten, die etwas bedeutet haben. Im melancholischen Rauch der Zeit hat sich dem Gangster Roy (Eric Tsang) das Bild einer schönen Frau unauslöschlich in den Kopf gebrannt. Zur Erinnerung an einen einzigen Abend trägt er eine halbgerauchte Zigarette in der Tasche. Metade Fumaca – halbgeraucht und fast vergessen.

Von Brasilien kommt er nach 30 Jahren in ein Hong Kong, in dem Straßengangs und grüne Neonlampen regieren. Es erinnert an das Wong Kar-Wais. Roys Suche nach dem verlorenen Gesicht ist gerahmt von bunten Bildern, Gangstern und Videoaufnahmen, die als Material den Glamour eines Tarrantino suchen, es aber nur bis zur Vorstadt-Schlangenlederkopie bringen. Roy wandert im Hawaihemd durch das Menschengewühl, schiebt den Perlenvorhang im Appartement eines Freundes zur Seite. Das alles hat Stilwillen. Doch was sollte eigentlich erzählt werden? Die romantisierte Such- und Erinnerungsgeschichte verliert unter Regisseur Riley Ip allzuoft ihre narrative Dynamik – zugunsten schöner Bilder und exotischer Musik.

Nicht schwebend und elegant, wie etwa bei der proustschen Erinnerungs- und Zeitparabel wird hier erinnert und Vergangenes in Gegebenes gewoben. Gangster und Film müssen vielmehr kräftig nachhelfen. In einer Karaoke-Bar wird ein wehmütiges Lied gesungen. Die Suche des alternden Gangsters wird durch einen jungen Gangster (Nicholas Tse) halbherzig gespiegelt. Ihm erzählt Roy seine Geschichte im Regen unter einem geklauten Klavier. So wird die mandeläugige Schönheit das erste Mal Bild – selbstverständlich lasziv rauchend. Ip unterstreicht diesen Moment durch Musik, und man beginnt bei so viel Künstlichkeit zu ahnen, dass es gar nicht um die reale Frau geht, sondern um das Haltbarmachen eines stilisierten Bildes vor dem endgültigsten Vergessen – Roy hat Alzheimer.

Ein Kalkül, das zu spät kommt, um emotional noch zu funktionieren. So lässt das überinszenierte Erinnerungsdrama seltsam unbeteiligt. Die rotgelackten Lippen der Diva sind das einzige, was noch bleibt. Dem Zuschauer und dem Gangster. Solange, bis auch sie geht – um sich nur kurz Zigaretten zu holen. Und für Roy wird das Bild so blass wie eine Tuschezeichnung unterm Wasserhahn. Der Perlenvorhang fällt, und alles ist vergessen. Was bleibt, ist schaler Zigarettenqualm. Stefanie Maeck

heute + 11.11. bis 21.11., 20.30 Uhr, 3001

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