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FDP legt noch eins drauf

Die Liberalen wollen nun 3 Milliarden Mark im öffentlichen Dienst sparen. Gewerkschaften sehen keine Grundlage für Verhandlungen über Personalabbau. Ampelparteien ohne einheitliches Konzept

von ANDREAS SPANNBAUER

Über das Ausmaß des Stellenabbaus im öffentlichen Dienst herrscht weiterhin völlige Uneinigkeit. Bei einem Gespräch mit den Gewerkschaften am Dienstag konnten SPD, Grüne und FDP noch immer kein einheitliches Konzept vorlegen. Zu einer Annäherung mit den Arbeitnehmervertretungen kam es bei der Unterredung, in der lediglich über die verschiedenen Konsolidierungspläne der Parteien informiert wurde, nicht. Die FDP bestätigte ihre Absicht, drei Milliarden Mark an Personalkosten einzusparen. Bisher war in den Koalitionsverhandlungen von Kürzungen in Höhe von 1,3 bis 2,5 Milliarden Mark die Rede gewesen.

Im Verlauf der Unterredung brach nach Angaben von Verhandlungsteilnehmern sogar ein offener Streit zwischen Vertretern von SPD, Grünen und FDP aus. Insbesondere das Verhalten des FDP-Landesvorsitzenden Günter Rexrodt wurde in Gewerkschaftskreisen als „flegelhaft“ beschrieben.

Aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di existiert wegen der Zerstrittenheit der möglichen Koalitionspartner bisher keine Grundlage für Verhandlungen. Einen kompletten „Staatsumbau“ werde es jedoch mit den Gewerkschaften nicht geben, kündigte die Ver.di-Landesvorsitzende, Susanne Stumpenhusen, im Anschluss an. Bei Ver.di wirft man vor allem der FDP vor, auf die Privatisierung von profitablen Aufgabenbereichen zu drängen. Die Befürchtung: Am Ende könnte das Land Berlin gerade auf unrentablen Dienstleistungen sitzen bleiben. Einig sind sich die Koalitionspartner lediglich darin, dass die Kosten im Personalbereich bis zum Jahr 2006 um mindestens 1,26 Milliarden Mark jährlich gesenkt werden müssen. Eine entsprechende Streichliste, die die Innenverwaltung im Auftrag aller Ampelparteien erarbeitet hatte, legte Innensenator Ehrhart Körting den Gewerkschaften vor (siehe Kasten).

Allein die darin enthaltenen Vorschläge stoßen auf erbitterten Widerstand. „Die Kürzungen bedeuten klare Einschnitte für die Bürger“, sagte der amtierende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW), Dieter Haase. Entgegen den Versprechungen im Wahlkampf würden Leistungen auch im Bildungs- und Jugendbereich abgebaut, „die direkte Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche haben“. Einsparungen in Höhe von mehr als 1,3 Milliarden Mark im Personalbereich sind nach Einschätzung des GEW-Landesvorsitzenden nur durch einen Bruch der bestehenden Tarifvereinbarungen möglich. „Das ist mit uns nicht zu machen.“ Die Gewerkschaften verlangen außerdem den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen über das Jahr 2004 hinaus. Auch eine Erhöhung der Arbeitszeit für Lehrer will die GEW mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern.

FDP-Chef Rexrodt hatte in den Verhandlungen erneut gefordert, die Arbeitszeit für Beamte auf 41 Stunden und für Angestellte auf 40 Stunden anzuheben. Die grüne Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz sprach sich angesichts der hohen Arbeitslosigkeit gegen eine Verlängerung der Arbeitszeiten aus.

Der Hauptpersonalrat der Beschäftigten des Landes Berlin setzte aus Protest gegen die Vorhaben die Mitarbeit bei der Verwaltungsmodernisierung aus. Der Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen finde keine Zustimmung des Personalrates. Die Gespräche sollen nächste Woche fortgesetzt werden.

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