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Ampel studiert Gebühren

Bezahlstudium ist für die FDP Topthema bei den Koalitionsgesprächen über die Unis. Fachpolitiker von Grünen und SPD dagegen. Aber der prominenteste Gebührenfreund heißt Klaus Wowereit

von CHRISTIAN FÜLLER

Berlin wird der nächste Dominostein bei der Einführung von Studiengebühren in Deutschland. In den Koalitionsgesprächen gebe es „enormen Druck“, das bezahlte Studium an den 14 Hochschulen in der Stadt zu etablieren, sagte ein Teilnehmer vertraulich der taz. Der Verhandlungsführer der FDP, Tim Stuchtey, bejahte die Tendenz zum kostenpflichtigen Studium. Für seine Partei gebe es drei Essentials bei den Gesprächen in der Koalitionsarbeitsgruppe Wissenschaft: Studiengebühren, die Privatisierung der Freien Universität und eine echte Autonomie für die Hochschulen. Die Gruppe trifft sich am heutigen Donnerstag und am Dienstag wieder.

Stuchtey vertritt in den Koalitionsverhandlungen den Standpunkt, dass die Gebühren ab dem ersten Semester erhoben werden sollten. Ihre Höhe sei verhandelbar, sagte der 32-jährige FDP-Mann. Den Hochschulen solle es freigestellt sein, wie viel Gebühren sie verlangen wollen. „Jeder Studiengang soll sich selbst einschätzen – und die Höhe der Gebühren entsprechend seiner Wettbewerbsposition festlegen“, sagte er zur taz.

Der Druck zu Gebühren ist bei den möglichen Koalitionären von SPD, FDP und Grünen aber nicht allein hausgemacht. Seitdem das Bundesverwaltungsgericht – in den Semesterferien – entschied, dass Gebühren in Höhe von 1.000 Mark pro Semester für so genannte Langzeitstudenten rechtens seien, führt ein Bundesland nach dem anderen diese Art von Gebühren ein. Baden-Württemberg hat sie schon, das Saarland beschließt sie gerade, selbst das SPD-regierte Niedersachsen wird im Dezember darüber entscheiden. Auch die neue Hamburger Koalition ist mit ihrem von der FDP berufenen Wissenschaftssenator Jörg Dräger voll auf Gebührenkurs.

Die Verhandlungspartner der FDP sträuben sich zwar heftig in den Berliner Koalitionsgesprächen. Sowohl Christian Gaebler (SPD) als auch Bernd Köppl (Grüne) beteuerten gegenüber der taz, dass es mit ihnen keine Gebühren geben werde. Die beiden spiegeln aber nur eine Strömung innerhalb ihrer Partei wider. Sowohl in der SPD als auch bei den Grünen gibt es gebührenfreundliche Flügel – beide fahren unter dem Segel „Neue Modelle der Hochschulfinanzierung“. Bei den Grünen ist dieser Flügel eher schwach. Bei der SPD sitzt er in der Person von Annette Fugmann-Heesing mit am Verhandlungstisch der Hochschularbeitsgruppe.

Fugmann-Heesing, die in den Verhandlungen ihre Philosophie nicht offensiv vertrete, hat zwei wichtige Stützen in der großen Runde der Baldkoalitionäre: die amtierende Finanzsenatorin Christiane Krajewski und den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit selbst. Krajewskis Beamte haben kürzlich Langzeitgebühren von 1.000 Mark als Einnahmemöglichkeit notiert. Und der Regierende hat das Semester an der FU eröffnet, indem er vor tausenden StudentInnen von „Studiengebühren am Tag X“ orakelte. Wowereit sieht bei den teuren Hochschulen Berlins ohnehin noch Sparpotenziale.

An den Hochschulen, besonders in den drei großen Universitäten, stoßen Gebühren ebenfalls nicht auf Ablehnung. Die Studierenden haben zu den Koalitionsgesprächen bislang nicht Position bezogen. Die Präsidenten von Technischer und Freier Universität, Ewers und Gaethgens, sind überzeugte Anhänger des Bezahlstudiums. Und Tim Stuchtey, der für die FDP die Hochschulverhandlungen führt, gehört im Hauptberuf praktischerweise dem Planungsstab des Präsidenten der Humboldt-Universität an.

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