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Soweto, das Symbol für Apartheid

Am südöstlichen Rand des südafrikanischen Johannesburg liegen die South Western Townships, die Schwarzenviertel, die unter der Abkürzung Soweto zusammengefasst wurden. Ein Besuch der touristischen „No-Go-Zone“

Viele bekannte schwarze Politiker stammen aus Soweto. Nelson Mandelas altes Haus ist zu einem kleinen Museum geworden

von GESINE KRUEGER

Südafrika ist beliebtes Urlaubsziel deutscher Touristen. Johannesburg, die größte und aufregendste Stadt des Landes, gehört allerdings nicht dazu. Der Flughafen dient als Zwischenstopp, als Verteiler in Richtung Kapstadt, Durban, Wildpark und Beach. Wilde Geschichten über Gewalt, Drogen und Autodiebstähle, über Raubüberfälle auf offener Straße, und eine City, die selbst tagsüber nicht mehr sicher ist, kursieren unter Eingeweihten und Fremden.

Wer dennoch in Johannesburg zu tun hat, oder allen Gerüchten zum Trotz einen touristischen Blick riskieren möchte, sieht alle Voraussagen umgehend bestätigt. Der Campus der berühmten Witwatersrand Universität im Stadtteil Braamfontein ist verrammelt wie ein Gefängnis. Im Herzen der Stadt, neben dem nicht minder berühmten Market Theater, ist eine alte Fabrik zu einem mehrstöckigen Riesen-Squattercamp geworden. Der Müll stapelt sich und es ist offiziell erlaubt, bei Rot über die Ampeln zu fahren, als Sicherheitsmaßnahme gegen Überfälle.

Die Bürgersteige der ehemals stolzen Wirtschaftsmetropole, deren Hochhäuser aus der Zeit um die Jahrhundertwende sich auch in New York nicht zu schämen bräuchten, sind heute ein einziger endloser Marktstand für Billiguhren, Gameboys, Turnschuhe und Obst.

Die Innenstadt ist kein Ort, den man auf eigene Faust erkunden sollte. Dies gilt auch für die Townships. Weniger aus Sicherheitsgründen, sondern weil man dann nicht viel erfährt und sieht. Besser ist es, sich einem kundigen Führer anzuvertrauen, wie Samuel Lucky Mhlambi von Nathi-Tours. Nathi, ein Zulu-Wort, bedeutet „wir“, „zusammen“. Angeboten werden maßgeschneiderte Touren für Einzelpersonen oder Gruppen in der Gauteng Provinz. Es ist möglich, Kirchengruppen und Gewerkschaften zu treffen, Projekte und Initiativen zu besuchen oder auch nur zu schauen. Zum Beispiel bei einer Tagestour, die in Johannesburg beginnt und nach Soweto und Thokoza führt.

Mhlambi war Vorsitzender der Bürgerinitiative im Township Thokoza während der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Inkatha und ANC in der zweiten Hälfte der Achtzigerjahre. Ein Zeitzeuge aus nächster Nähe. Heute ist die Nachbarschaft friedlich, fast idyllisch, auch wenn die Hostels immer noch von bitterer, bedrückender Armut zeugen, auch wenn Arbeitslosigkeit und Drogen das Leben vieler Menschen hier bestimmen.

Auf Initiative einer Ärztin ist ein Mahnmal errichtet worden für die mehr als 2.000 Toten auf beiden Seiten. Ist Thokoza nur wenigen ein Begriff, gilt das nicht für Soweto. Die Millionenstadt wurde zum Synonym für südafrikanische Townships schlechthin. 10.000 Taxis transportieren neben Bussen und einer Bahnlinie die Pendler in die Industriezonen und nach Johannesburg. Niemand weiß, wie viele Menschen hier wirklich leben, und es gibt immer noch keinen Stadtplan. Hunderte von Schulen, drei Fachhochschulen und eine Universität sowie das größte Krankenhaus der Welt tragen wenig dazu bei, Soweto ein urbanes Flair zu verleihen.

Aber Soweto ist kein Slum. Es wirkt wie eine riesengroße, uneinheitliche und auf den ersten Blick schwer zu erfassende Siedlung. Nur langsam entwickelt sich eine städtische Infrastruktur. Das einziges Café wird hauptsächlich von Touristen besucht.

Es gibt jedoch viele Plätze und Orte zu besichtigen. Etwa den Freedom Square, wo 1955 die Freedom Charter unterzeichnet wurde und der heute ein kleiner Marktplatz ist. Oder das Denkmal für den 1976 von der Polizei während der Schüleraufstände erschossenen Hector Peterson, dessen Bild um die ganze Welt ging. Viele der bekannten schwarzen Politiker stammen aus Soweto, viele sind hier begraben, wie Joe Slovo und Ruth First. Nelson Mandelas altes Haus ist zu einem kleinen Museum geworden, ein fast rührender Schrein, der alte Schuhe und kitschige Geschenke aus aller Welt präsentiert. Das Gewühl der Menschen, der alltägliche Handel und Wandel, Rufe und Musik, Gerüche und Farben ziehen in den Bann. Im „Sister Sister“-Restaurant in Chiawelo können die Eindrücke bei leckerem Curry sortiert werden. Der Inhaber Tifo Mphuthi setzt sich gern mit an den Tisch und erkundigt sich nach der Befindlichkeit, sichtlich stolz auf Soweto und ohne Scheu vor dummen Fragen. Und wenn er selbst anfängt Geschichten zu erzählen, fühlt man sich sehr willkommen und beginnt tatsächlich etwas zu sehen.

Kontakt: Nathi Tours, Samuel Lucky Mhlambi,Tel.: +27/11-7 88 85 30+27/11-4 03 53 15, Fax: +27/11-3 39 78 63„Sister Sister Pub and Restaurant“, Pretty Mphuthi, Tifo Mphuthi 1561/2 Dlamini/1P.O. Chiawelo 1818,Tel.: +27/11-9 86 13 47 08 29 75 07 27

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