: Organisch, mechanisch, elektrisch
Diverse Modelle für diverse Körper: In ihrer Kollektion kommt es darauf an, dass Farbe, Fallverhalten des Stoffes, Form und Schnitt zusammenspielen. Das „Prädikat Berlin“ hält sie für hilfreich. Ein Porträt der Modemacherin Betty Bund
Eigentlich mag sie keine Porträts, schon gar nicht mit Bild. „Ich oute mich nicht so gern“, sagt Betty Bund. Schließlich ginge es ja um das Produkt, nicht um sie. Da ihr Label aber „Betty Bund“ heißt, ihre KundInnen schon mal „meine Betty-Hose“ sagen und dann auch wissen wollen, wer Betty Bund eigentlich ist, gelingt ihr das nicht immer. Schon deshalb, weil die Modedesignerin vor fünf Jahren mit einer Nähmaschine und ihrer Mappe nach Berlin gekommen ist und heute ein Atelier und zwei Läden hat, wäre es schade, sie ganz hinter ihrer Kleidung verschwinden zu lassen.
„Zur richtigen Zeit am richtigen Ort“, nennt Betty Bund das lapidar und streicht sich über die rote Mütze mit den weißen Sternen. „Organisch, mechanisch, elektrisch“, so charakterisiert sie ihr Konzept. Ihr Material: vor allem Jeans. Daraus kreiert sie Hosen, Röcke und Jacken, deren oberste Priorität ist, dass sich die Träger in ihnen wohl fühlen. Farbe, Fallverhalten des Stoffes, Form und Schnitt sollen zusammenspielen. „Urban wear“, das meint ein Outfit für jede Gelegenheit. Zugleich wird Kleidung zum transportablen Zuhause, ist schützende Hülle und Rückzugsraum. Wenn Betty Bund eine Botschaft an ihre KundInnen hat, dann ist es „Unterstreich deine Persönlichkeit“. Das meint, Mode weder als Maskerade noch als Aufgehen im Trendphänomen – wie zur Zeit im Revival der 80er-Jahre – zu begreifen. Dies speziell ist ein Phänomen, das die 35-Jährige zunehmend langweilt: „Revival mit Future kombinieren ist okay, aber nur Revival, das ist schlimm.“ Wenn Punk nur noch Fashion ist, bedeutet es eben auch nichts mehr. „Früher war es anarchisch, heute ist es modern.“
Die Mode der Achtziger kennt Betty Bund ziemlich genau. Schließlich hat sie schon damals geschneidert. Mit dem Nähen begonnen hat sie als Mädchen. Da hat ihr die Oma Jeanshosen gekauft, „gruselige Exemplare“, Karottenhosen mit Strasssteinen, die in Bettys Augen eindeutig geändert werden mussten. Also entwickelte sie die Routine: neue Jeans anziehen, mit ihr hinfallen, diese flicken müssen/dürfen. Später dann nähte sie Waverhosen für alle Bekannten. So kam sie zur Schneiderei, „step by step, just for fun, aber nie unter Druck. Ich wusste gar nicht, dass man Schneider lernen kann.“ Genau das hat sie später dann gemacht.
Nach der Ausbildung war sie zweieinhalb Jahre lang selbstständig, machte ihr eigenes Design und war gleichzeitig die „Schneiderin für alle“ in Nordenhamm, vom Diskofummel zum Brautkleid. Irgendwann konnte sie nicht mehr einkaufen gehen, ohne dass sich jemand mit „Frau Bund, ich habe da noch einen Stoff“, an sie gewandt hätte. „Manchmal habe ich mich regelrecht versteckt“, sagt sie und muss lachen. Dann ging sie zum Designstudium nach Bremen, hat kurz darauf aufgehört und wieder eigene Sachen gemacht: „Ich bin Praktikerin.“ In Oldenburg arbeitete sie später als orthopädische Leibschneiderin, nahm eine kreative Auszeit, fertigte Stützmieder an und Korsette. „Kreativ war das todlangweilig, aber ich habe vom anatomischen Standpunkt viel gelernt, ganz exakte Leibschneiderei.“ Die Leibschneiderei ist auch heute noch wichtig. Denn bequem kann die Kleidung nur sein, wenn die Passform perfekt ist. Bisher waren die Kollektionen unisex, diverse Modelle für diverse Körper, egal welchen Geschlechts. Dazu kommen jetzt Schwangerenkollektionen, die erste ist gerade fertig geworden. Sie ist ebenso ein Teil „Future“ des Labels wie die Aktion „Help your next“: Drei Mark pro verkauftes Kleidungsstück gehen an Berliner Straßenkinder.
Die Beziehung von Betty Bund zu ihren KundInnen und denen zu ihrem Label scheint von gegenseitiger Sympathie getragen. „Wear for ok people“, steht auf ihrer Kollektionskarte, und die Schwangerenkollektion hat sie nicht zuletzt deshalb entworfen, weil viele ihrer Kundinnen schwanger wurden, aber weiter „Betty-Hosen“ tragen wollten. Vielleicht hat sie damit eine Art Anker geschaffen gegen das Oberflächliche und Schnelllebige, das sie in Berlin beobachtet: „Man hört diesen Satz ziemlich häufig: Jeder ist austauschbar.“ Dabei sei Berlin aber auch kreativ. „Ich glaube, jeder der in Berlin ist, ist gut hier“, sagt Betty Bund. Damit meint sie nicht nur das kreative Potenzial, sondern auch das „Prädikat Berlin“: „Alle Welt schaut auf Berlin“, und Berlin schillert, besonders in der Distanz. Das hat sie auch selber erfahren. „Ich habe mir Berlin ganz anders vorgestellt, viel glamouröser. Es ist ja eine ganz schöne Bruchbude.“ Sagt es und grinst. KATRIN KRUSE
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