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harald fricke über ShoppingWillkommen an der Einkaufsfront

Der Kauf-nichts-Tag war in den USA ein Flop: Die Amerikaner kauften Weihnachtsgeschenke und haben jetzt ihre Ruhe

Der 23. November war keine Katastrophe. Nicht für die Buchhändler bei Kiepert am Ku’damm und nicht für die Plüschtierverkäufer bei Wertheim. Das Geschäft ging gut in Berlin. Die Umsätze blieben für einen Freitag im Durchschnitt, abends wurde der Andrang noch ein bisschen turbulenter, als Vorgeschmack aufs Wochenende. Dann holte sich die Frau in der Billigschmuckabteilung bei Hertie Verstärkung, und WOM machte eine Zusatzkasse auf.

Nein, der Kauf-nichts-Tag war hier zu Lande keine Katastrophe, eher ein Flop. Darüber hätten sich allerdings nicht einmal die Aktivisten von Adbusters geärgert, die seit 1992 jedes Jahr den Tag des Konsumboykotts ausrufen. Höchstens gewundert. Schließlich basiert ihr Kampf gegen die Verschwendung von Ressourcen auf einem durch und durch US-amerikanischen Pragmatismus, der nichts mit dem Kaufverhalten der Deutschen gemeinsam hat: Immer ist es der Tag nach Thanksgiving, an dem die Firmen ihren Angestellten freigeben, damit sie Weihnachtseinkäufe erledigen können. Darauf haben sich in den USA und in Kanada auch die Geschäfte eingerichtet, die am letzten Freitag im November oft bis Mitternacht geöffnet haben.

Insofern macht der Bruch mit dem Ritual in einem Land, das sich überhaupt nicht mit dieser Chronologie des Christmas Shopping auskennt, nur wenig Sinn. Anders gesagt: Wer in Deutschland den Freitag zum Boykott nutzt, ist bloß Mitläufer einer Sache, deren Zusammenhänge sich ihm nicht weiter erschließen. So wird selbst die Antihaltung in Sachen Konsum noch zur tumben Solidarisierungsgeste.

Das ist sicher ungerecht. Natürlich werden auch letzten Freitag die paar Dutzend aufrechten und wild entschlossenen ShoppinggegnerInnen aus einem jener guten Gründe zu Hause geblieben sein, die sie schon das übrige Jahr in ihrem Herzen hegten. Der Energieverbrauch, die Umweltverschmutzung, die Ausbeutung von Kinderarbeitern in den Ländern des Südens und des Trikonts – da musste der Frust einfach raus, am 23. 11., zwischen neun Uhr morgens und acht Uhr abends: einmal nein sagen. Aber warum sollte man ausgerechnet nein zu Autos, Kühlschränken oder Fernreisen an einem Tag sagen, wo in den USA die Menschen freudig Geschenke für ihre Liebsten kaufen?

Vielleicht hängt es gar nicht mit der Angst vor der Vernichtung der Umwelt zusammen, dass man sich trotzdem gern dem No-Buy-Day anschließen würde. Vielleicht hat man einfach fünf Wochen vor dem Fest schon die Nase voll von Weihnachten. Seit Ende September werden Auslagen flächendeckend mit Kunstschnee, Tannenzweigen und Minischlitten dekoriert, in den Kaufhäusern und Bäckereien nimmt die Truppenbewegung der Schokoladen-Weihnachtsmänner zu, selbst bei Douglas stinkt es nicht nach Maiglöckchen, statt dessen aber nach Weihrauch und Bratäpfeln. Wenn es etwas gibt, das einem die Wintermonate verhasst macht, dann doch das sich penetrant in Funk, Fernsehen und auf der Straße hochjazzende Einkaufsfieber fürs große Fest, dieses Vorspiel aus merkantilem Jingle-Bells-Geklingel und Handy-muss-ich-haben-Melodien, diese unentwegte Einübung in die finale Bescherung an Heiligabend.

Noch gespenstischer aber ist die Vorstellung, dass in Amerika das Geschenke-Shopping landesweit offenbar an einem einzigen, zudem extra von den Arbeitgebern freigestellten Tag abgewickelt wird – willkommen an der sozialistischen Einkaufsfront! Doch wenn man’s recht besieht, fahren die Amerikaner nicht einmal schlecht mit ihrem Christmas-Getue. Während unsereins wochenlang über den Konsum zetert und die Kaufwut verdammt, um dann in einer Panikaktion am 23. Dezember die Restwaren aus den Geschäften nach Hause zu schleppen, damit dort der Segen nicht schief hängt, kann sich der Amerikaner spätestens nach dem letzten Wochenende zurücklehnen. Nun hat er Zeit, nun darf er ganz entspannt die Knöpfe am Morgenmantel festnähen, Puschen flicken und – das ist besonders wichtig in der Vorweihnachtszeit – seine Lieblingsschallplatte polieren: Damit Bing Crosbys „I’m dreaming of a white christmas“ nicht zu sehr kratzt, wenn die Zeit endlich so weit ist. Wir dagegen sitzen mit leerem Blick vor Prospekten voller Geschenkoptionen, die sich Jahr für Jahr immer nur weiter Richtung Gameboy und DVD-Player ausdifferenzieren, und gruseln uns vor den schlimm winseligen Kinderchorplatten, die an Heiligabend bei den Eltern auf die Kinder und Enkelkinder warten, die da kommen, oh, kommet doch all. Da hilft kein Kauf-nichts-Tag, sondern nur: Christmas, nein danke. Aber die Schnulze von Bing Crosby, die soll bitte bleiben.

Fragen zu Shopping?kolumne@taz.de

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