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zwischen den rillenRobbie Williams swingt sich zu Höherem auf

Achtung, Hollywood!

Robbie Williams hat eine neue Platte gemacht. Sie heißt „Swing When You’re Winning“, das ist ein kleines W – oder auch ein doppeltes Victory-Zeichen – mehr als letztes Jahr. Wen das interessiert? Eine Spontanumfrage ergibt, trotz leichter Ermüdungserscheinungen, immer noch ein deutliches Votum für Robbie. Die wenigen Dissidenten haben keine neuen Argumente: der eine moniert die Qualität der Musik, für den anderen ist Robbie immer noch ein ehemaliger Boygroup-Formationstänzer und dicklicher Emporkömmling. Glückliche Menschen! Brauchen nicht vor dem Spiegel dieses Grinsen zu üben oder sich zu fragen, ob, sollte ihnen mal ein MTV-Award verliehen werden, sie auch mit verhungerndem Blick zu Spenden in eigener Sache aufrufen würden, denn das „Leben als Popstar ist hart, liebe Leute“. Das war zwar nicht sein bester Witz. Aber der Preis ging auch an den alten Robbie.

Das Problem, dass genau dieser Humor mittlerweile von ihm erwartet wird, löst er nun mit einer neuen Rolle. Der neue Robbie Williams trägt Anzug, Hemd und Krawatte. Seine Platte erscheint passend zum Weihnachtsgeschäft, kommt völlig ohne Weihnachtslied aus und wird sich trotzdem verkaufen wie geschnitten Marzipan. Mit Evergreens, Streichern, Swing und Schwiegersohnfotos im neuen Look werden Grenzen überwunden und Generationen vereint. Zusammen mit der gerade erschienenen, hübsch bebilderten Tourbiografie ergibt das ein perfektes Päckchen fürs Familienfest, mit dem Pop endlich mal wieder seine integrative Funktion erfüllt hätte – Mütter und Töchter schmachten getrennt und doch gemeinsam, Väter und Söhne schmunzeln anerkennend und arbeiten, derart herausgefordert, an ihrem Augenaufschlag und an Lach- statt Sorgenfalten.

Und das alles nur, weil Williams nach den Gräben der Distinktion jetzt auch noch die der Altersgrenzen weggegrinst hat – mit ein wenig Hilfe von Frank Sinatra, seiner neuen Maske, die eigentlich drei Masken sind. In der „Swing When You’re Winning“-Folie steckt nicht nur die potenziell aggressive Schlitzohrigkeit eines Sinatra, auch der trunkene Charme von Dean Martin und die grimassierende Komik von Sammy Davis Jr. „Dedicated to Frank, Dean und Sammy“ liest sich das auf dem Cover. Man ist per Du, auf Augenhöhe und, Technik sei Dank, sogar im Duett vereint.

In „It Was A Very Good Year“ berichtet Robbie brav von dem Glück, 17 und 21 zu sein, bevor Frankie noch mal versichert, dass die Zeit von 35 bis zum Herbst des Lebens dem in keinster Weise hinterhersteht. Im Gegenteil: „Nun denke ich an mein Leben als Wein aus guten alten Fässern.“ Während schwelgende Streicher dem Leben die Härten nehmen und Bläser beim Swingen helfen, kann man dann beruhigt seinen Einsatz verpasssen und irgendwann von der Bühne fallen.

Die Segnungen des Alterns im Entertainment, normalerweise nicht gerade ein Thema für einen MTV-Star. Robbie Williams jedoch steht sie bestens, diese Aura des poetischen Frühweisen. Haare kämmen, Anzug tragen, von der Liebe singen – Dinge die vor ihm schon unzählige Male geschehen sind ... und doch ist es anders, wenn Affirmation und Ironie mit diesem Lächeln zusammenkommen, wenn die Bilder, wo er sich in den Pausen die Krawatte lockert und mit hochgekrempelten Armen die Partituren durchgeht, so offensichtlich Reminiszenz sind und doch so gut passen.

Ein wenig erinnert das aufwändige Projekt auch an die in Nashville aufgenommene Countryplatte des Indie-Pop Duos Ween. Ebenso wie Williams besuchten die Genre-Swinger alte Produktionsstätten, um sich authetisch zu inszenieren – textlich gebrochen, musikalisch in liebevoller Aneignung. Da Robbie Williams und sein Songwriter Guy Chambers jedoch kein Nerd-Duo sind, sondern eine berufsgrößenwahnsinnige Popmaschine, klingt ihr Sixties-Swing trotz Originalstudio und großem Ensemble eher nach Walt-Disney-Musical und Titanic denn nach der Klasse des Rat Pack.

Doch Musik war für Robbie Williams immer nur ein Mittel, um die Arme auszubreiten. Dass das eigentliche Ziel dieser Verkleidung eine weitere, größere Plattform für sein Ego ist, stellt er denn auch von Anfang an klar. „I Will Talk And Hollywood Will Listen“ heißt das erste und zugleich einzig selbst geschriebene Stück in dieser Sammlung von Bigbandklassikern. Die Absage als nächster James Bond ist offenbar nicht verwunden, jetzt wird selbst Initiative übernommen: bevor sich Hollywoods Studiotüren irgendwann gnädig öffnen, tritt er schon mal gut gelaunt dagegen. „Mister Spielberg look just what you’re missing“, croont Robbie Williams, voll im Saft. Er will die Wildcard, den Joker, den Blankoscheck des ganz großen Entertainment. Solange er dabei entwaffnend lacht, dürfte sich diese Prophezeiung von selbst erfüllen. HOLGER IN’T VELD

Robbie Williams: Swing when you’re winning (Chrysalis/EMI)

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