: „Liebe taz...“ Erst die Flüchlinge, dann der Rest
Betr.: „Kontrolle statt Rücckehrhilfe“, taz bremen vom 3. Dezember und „Fallmanager im Sozialamt“ taz bremen vom 1. Dezember
Die Polizei in Bremen eskaliert derzeit eine Offensive gegen ImmigrantInnen, Nichtdeutsche, Flüchtlinge und ausländische Studierende, die eine neue Dichte und Brutalität erreicht hat. In einer Folge von Tagen und Wochen reihen sich Hausdurchsuchungen libanesischer KurdInnen und ihre geplante Abschiebung, die Rasterfahndung an den Hochschulen, Botschaftsanhörungen von Sierra Leoner Flüchtlingen und die entsprechend an die Presseagenturen weitergegebenen Hetzformulierungen wie „118-köpfige syrische Großfamilie nutzt Härtefallregeleung aus“ dicht aneinander. Ein Vater wird vor den Augen seiner Familie zusammengeschlagen, selbstständige Existenzen werden mutwillig durch die Behörden kaputtgemacht, Studierende aus arabischen Ländern sind, wie wir gestern erfahren haben, in Panik und trauen sich nicht zu öffentlichen Veranstaltungen, und die Praxis, Sierra Leoner Flüchtlinge zum so genannten Sprachgutachten vor dem Botschafter vorzuladen ist nur ein übler Trick, um sie loszuwerden. Als Ergänzung zu Eva Rhodes gestrigem Bericht: Die Praxis der Botschaftsanhörungen hat sich nach langen und begründeten Protesten aus Nordrhein-Westfalen verlagert und wird nun in Bremen und (wie seither in) Hamburg angewandt. Die Intention der deutschen Behörden ist die: so vielen Flüchtlingen wie möglich mit so genannten Gutachten ihre Herkunft aus Sierra Leone abzusprechen, um sie nach Ghana abzuschieben. Ghana bekommt für jedes Stück Mensch 500,- DM - ein Linsengericht. Ghana verweist sie dann des Landes und befördert sie zur ghanaischen Landesgrenze.
Die Sprachgutachter sind auf ihre Eignung zu prüfen, die Frage nach Kenntnis von Landesdetails gewährt nicht die Sicherheit, jemand habe gelogen und insgesamt ist diese Behandlung eine rassistische Beleidigung und Verhöhnung der Fluchttraumata. Doch die drei von 66 in ihren Angaben zur Herkunft Bestätigten sind noch lange nicht vor Abschiebung sicher! Das ist nichts anderes als Menschenhandel. Fordern wir den Rücktritt des Innensenators!
Währenddessen sind die Maßnahmen zur Kontrolle des Sozialhilfebezugs in Bremen ab 1. Dezember - wie berichtet - durch so genannte Fallmanager und die Einbindung von unabhängigen Beratungsstellen in die Kontrolle eine Ausweitung der Abschreckungspolitik, wie sie bisher in der Flüchtlingspolitik angewandt wurde: Wir haben ja das „soziale Netz“ - es soll nur ja niemand auf die Idee kommen es zu beanspruchen - sonst machen wir ihm/ihr die Hölle heiß.
Michael Sauter
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