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MEHRWEG: SELBSTVERPFLICHTUNG DER INDUSTRIE FUNKTIONIERT NICHTZwangspfand ist zwingend

So geht es auch: Seit vier Monaten verzögern 16 große Unternehmen mit juristischen Tricks das „Zwangspfand“, darunter Aldi, Karlsberg und Metro. Derweil drängen sie mit immer neuen Sonderangeboten für Einwegverpackungen immer mehr Mehrwegflaschen aus den Ladenregalen. Eine hinterhältige Taktik. Denn gelingt es der Branche, das Zwangspfand nur lang genug zu verschleppen, dann wird die Wirtschaftlichkeit des Mehrwegsystems entscheidend geschwächt.

Man könnte das als Kuriosität einer Branche abtun, als Zwangsneurose dosenverliebter Abfüller, wenn sie nicht die ausdrückliche Rückendeckung der Dachverbände von Industrie und Handel, des BDI und DIHT hätten. Mit ihrer bornierten Haltung diskreditieren Großhandel und Großbrauer somit die gesamte deutsche Wirtschaft.

Die Wunschliste der Lobbyverbände ist lang: Sie wünschen mehr Flexibilität, Steuersenkungen und überhaupt weniger Auflagen. Neuerdings werden sogar Konjunkturprogramme angemahnt – und die Forderung findet Gehör in Politik und Gesellschaft. Doch richten diese umgekehrt einen Wunsch an die Wirtschaft, dann verstummen die Verbände. Selbst alte Abmachungen gelten nicht viel: Vor zehn Jahren verpflichtete sich die Getränkeindustrie, den Mehrweganteil auf über 72 Prozent zu halten. Heute will man davon nichts mehr wissen.

Nicht wenige Landesfürsten ließen sich im Sommer vor den Getränkelaster der Anti-Pfand-Lobby spannen und mit neuen freiwilligen Selbstverpflichtungen locken. Die Getränkehersteller versprachen, mindestens 21,5 Milliarden Liter in Mehrwegflaschen abzufüllen – wenn nur das Zwangspfand ausgeschlossen werde. Unter diesem Eindruck beschloss der Bundesrat eine Regelung im Sinne der Industrie, der allerdings Regierung und Bundestag nicht folgten. Nun weiß man, dass der Getränkehandel schon damals weniger als die in Aussicht gestellte Menge in Mehrweg abfüllte. Ein falsches Versprechen also. Noch eines.

Seit Beginn der Ökodebatte fordert die Industrie weniger Auflagen und mehr freiwillige Vereinbarungen. Doch was, bitte, ist von einer Selbstverpflichtung zu halten, die nicht einmal die Lebensdauer einer Bierdose hat? Mit ihrer Taktik gegen das Pflichtpfand stellt die Wirtschaft das Prinzip der Selbstverpflichtung insgesamt nachhaltig in Frage. Sie muss sich nicht wundern, wenn sich die Politiker künftig wieder stärker aufs Ordnungsrecht besinnen. Offenbar ist die Industrie für moderne Instrumente noch nicht reif genug.

MATTHIAS URBACH

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