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Wechsel an Spitze

AOL-Time-Warner-Chef Jerry Levin überrascht die Branche, indem er sich vorzeitig in den Ruhestand verabschiedet

BERLIN taz ■ Die Mitteilung war kurz und schmerzlos: Nach der Hauptversammlung im Mai 2002 verlässt Jerry Levin „seinen“ Konzern AOL Time Warner.

Wie kein anderer Konzernvorstand hat der 62-jährige Levin dem größten Medienunternehmen der Welt seinen Stempel aufgedrückt und es gleichzeitig durch milliardenschwere Fusionen ausgebaut: 1990 steuerte er den Großverlag Time Inc., bei dem er 1973 als Anwalt angefangen hatte, in die Arme des Musik-, TV- und Filmgiganten Warner, später kam dann Ted Turners Fernsehwundertüte Turner Broadcasting inklusive CNN dazu. Im Januar 2000 wurde dann der größte Merger der bisherigen Mediengeschichte verkündet: Time Warner ging mit dem Online-Dienst AOL zusammen.

Auch wenn hier offiziell AOL-Chef Steve Case als neuer Vorstandsvorsitzender des gemeinsamen Unternehmens gekürt und über Levins Abgang spekuliert wurde: Der Manager, der einst Rabbi werden wollte, behielt seinen Sitz im Vorstand – und blieb weiterhin der einflussreichste Mann bei AOL Time Warner.

Obwohl das Unternehmen – wie allgemein üblich – die Online- und Werbekrise sowie den 11. September als Argumentation für einen drastischen Sparkurs nutzt, steht AOL Time Warner langfristig gesund dar – und mit über 32 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz für das Geschäftsjahr 1999/2000 unangefochten an erster Stelle der internationalen Medienunternehmen.

Selbst das eher glücklose Hollywood-Studio Warner Bros. übernimmt – wegen des weltweiten Erfolgs von „Harry Potter“ – zum ersten Mal seit fast einem Jahrzehnt wieder eine Spitzenposition in der US-Filmwirtschaft.

Genauso überraschend wie der Abgang von Levin war die Nachricht, dass der relative Medien-Newcomer Richard Parsons und nicht der langjährige AOL-Mann Robert Pittmann als Nachfolger Levins aufrückt. Beide waren bisher Chief Operating Officer des Gesamtkonzerns, Pittmann habe aber durch seinen Ruf als „Sparkommissar“ als belastet gegolten, berichteten US-Medien am Donnerstag.

Levin, der nach Informationen von Variety eine ganz neue Karriere als Filmproduzent anstrebt, geht natürlich nicht, ohne den nächsten Mega-Merger für sein Unternehmen vorbereitet zu haben: AOL Time Warner, im Fernsehkabelgeschäft der USA bereits mit an der Spitze, bietet derzeit Milliarden für AT & T-Broadband, die TV-Netz-Sparte des Telekommunikationsriesen AT & T. STEFFEN GRIMBERG

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