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straight aus dem medienparkDer kalte Krieg ist ausGeorg Gafrons tragischer Schlingerkurs

Das Brot des Medienkolumnisten ist nicht immer ein weiches. Besonders wenn man selten zu Hause ist, sieht man sich als Medienkolumnistin häufig in die peinliche Lage versetzt, in der Öffentlichkeit Zeitungen lesen zu müssen. Nun wäre das ja an sich noch nichts Schlimmes, handelte es sich bei diesen Zeitungen nicht um welche, bei denen man es schon zu Hause irgendwie eklig findet, wenn sie sich in der Ecke stapeln. Nicht genug, dass man ab und zu gezwungen ist, die Bild, B. Z. oder den Berliner Kurier am Kiosk käuflich zu erwerben, nein, wenn man im Alltag nicht richtig zum Zeitunglesen gekommen ist, kann es durchaus passieren, dass man zum Beispiel, sagen wir, auf einer Zugreise nach Warschau einen ganzen Stapel B. Z.en auf den Knien trägt und die Woche bei Springers Revue passieren lassen muss. Junge Menschen steigen ein, man könnte ins Gespräch kommen, aber dann fällt ihr Blick auf meine Zeitungen, ein mildes Lächeln huscht über ihre schönen Gesichter und wieder wurde die Möglichkeit einer neuen Bekanntschaft im Keim erstickt.

Aber man soll sich ja nicht beirren lassen, schlägt die erstbeste Zeitung auf, und was springt einem ins Auge? Georg Gafrons Kommentar auf Seite drei. „Jetzt kommt es vielleicht doch noch zur ehrlichen Variante im dann tatsächlich roten Rathaus. Immerhin haben zwei Drittel der Wähler links und linksextrem gewählt“, steht da zu lesen.

Was ist denn plötzlich mit Georg Gafron passiert? Gafron, nicht nur Chefredakteur der B. Z., sondern auch Geschäftsführer von Radio 100,6 und TVB, ist lebender Beweis, dass Springer und Kirch ein und dasselbe sein können. Der ehemalige Buchdrucker, der 1977 aus der DDR geflüchtet war, von dem behauptet wird, er grüße seine Sekretärin morgens mit „Morgen, Mops! Abtreten!“, er beginne seine Morgenkonferenzen mit Salutieren und habe in seinem Büro ein Plakat mit der Aufschrift „If you want to fight – join the marines“, ebendieser Georg Gafron galt bislang als letzter leidenschaftlicher Verfechter des Kalten Krieges, als größter Fan Diepgens und Wahlkampfhelfer Steffels, als aufrechter Kreuzritter nicht nur gegen alles, was DDR war („Keine Macht den Tätern!“), sondern gegen alles, was rot ist. Wie kommt das? Haben wir es mit dem Ende der großen Gefühle in der B. Z. zu tun? Es wird berichtet, Gregor Gysi habe sich am Berliner Wahlabend mit Gafron versöhnt, sie seien zusammen essen gegangen und haben verkündet, sich eigentlich sogar zu mögen. Gregor Gysi sagte zu „Spiegel online“: „Er wird ab morgen eine andere Politik machen müssen.“

Was auch immer an diesem Abend passiert sein mag: Eine schwere Zeit der Gratwanderungen wird jetzt anbrechen für Georg Gafron. Guckt man nämlich ein paar Ausgaben weiter vorne und hinten, so türmen sich nach wie vor die alarmierenden Berichte über gefährliche Orte und Zustände in Berlin. Berlin sei nicht nur schlecht beleuchtet, seine Arbeitsämter unterbesetzt und außerdem die letzte Hauptstadt Europas, die an Plätzen wie dem Zoo auf Videoüberwachung verzichte. Und schuld daran sei einzig und allein: die SPD! Nein, auf seine kleinen, markigen Spitzen gegen die Roten wird Georg Gafron wohl so schnell nicht verzichten können. Gegen die Getränkesteuer polemisierte es: „Sollen wir jetzt auch noch saufen gegen die Schuldenkrise?“

Und liest man Gafrons erwähnte Kolumne weiter, so fragt man sich, wo soll er hinführen, der neue, tragische Schlingerkurs des Georg Gafron: „Berlin bekommt jetzt einen tüchtigen Schuss sozialistische Politik. Vor wenigen Tagen hat Daimler Chrysler seine Mitgliedschaft in der Marketinggesellschaft ‚Partner für Berlin‘ gekündigt. Noch Fragen?“ SUSANNE MESSMER

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