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„Eine ideologisch aufgeblasene Debatte“

Heute berät der Bundestag das Zuwanderungsgesetz. Marieluise Beck warnt die Union vor taktischen Spielchen

taz: Frau Beck, zurzeit ist statt von Zuwanderung fast nur noch von „Begrenzung“ die Rede. Kann sich die Ausländerbeauftragte überhaupt noch über dieses Reformprojekt freuen?

Marieluise Beck: Ja, trotz allem sind wir mit dem Zuwanderungsgesetz einen großen Schritt nach vorne gegangen. Das hätte vor drei Jahren kaum jemand für möglich gehalten.

Sie selbst waren entsetzt, als Sie den Gesetzentwurf von Innenminister Schily sahen. Warum finden Sie das Zuwanderungsgesetz jetzt so toll?

Also, ein perfektes Gesetz wird es nie geben. Aber durch die Verhandlungen mit Schily wurden maßgebliche Verbesserungen erreicht – etwa im Bereich der nichtstaatlichen Verfolgung. Dazu kommen großzügigere Übergangsregelungen für Migranten, die schon länger hier leben, und liberalere Regelungen beim Familiennachzug.

Die bringen Sie im Bundestag durch. Aber bald geht es um die Mehrheit im Bundesrat. Da will die Union all das wieder rückgängig machen . . .

Leider gibt es im Moment eine massive Überlagerung der Debatte durch die so genannte K-Frage. Da geht es vor allem um strategisch-taktische Fragen. Deshalb glaube ich, dass endgültige Entscheidungen erst getroffen werden können, wenn die Union weiß, wo sie hinwill.

Egal ob Stoiber oder Merkel – alle in der Union verlangen, dass die Zuwanderung „klar begrenzt“ wird. Mit dieser Forderung müssen Sie umgehen, egal wer Kanzlerkandidat wird.

Es ist unakzeptabel, wenn die Union versucht, den Geist des Gesetzes ins Gegenteil zu verkehren. Und das tut sie, wenn sie verlangt, die Begrenzung der Zuwanderung als allgemeines Ziel des Gesetzes festzuschreiben.

Viele halten das nur für eine semantische Frage.

Selbstverständlich ist jedes Ausländerrecht immer auch eine Begrenzung. Wenn ich aber im ersten Paragrafen die Zielsetzung des Gesetzes allein unter den Begriff Begrenzung stelle, dann wird in allen Ermessensentscheidungen immer eher restriktiv agiert. Das wäre eine Vorgabe für die Behörden und für die gerichtliche Auslegung.

Schily hat schon zugesagt, dass er dies tun will . . .

Entscheidend ist, welche Formulierung letztlich im Gesetz steht. Es darf auf keinen Fall allein die Begrenzung zum übergeordneten Ziel erklärt werden.

Wäre das ein Punkt, an dem Sie sagen: „Dann lieber gar kein Gesetz“?

Ich habe gelernt, dass man mit Knackpunkten selten gut bedient ist – genau, wie ich keine Knackwürste mag.

Auch wenn Sie es nicht mögen: Als Knackpunkt gilt das Familiennachzugsalter. Bisher liegt es bei 16 Jahren, Rot-Grün schlägt 14 vor, die Union will höchstens 10 . . .

Man muss doch nur mal auf die Zahlen schauen, dann sieht man, dass hier eine ideologisch aufgeblasene Debatte geführt wird. Wir hatten im Kindernachzug aus der Türkei im Jahr 2000 insgesamt 4.625 Kinder, das heißt: pro Jahrgang gerade 289 Kinder . . .

Also alles nicht so wichtig?

Doch. Jede Einschränkung bringt im Einzelfall ganz dramatische Konsequenzen für die Möglichkeit des Zusammenlebens von Eltern und Kindern.

Um das Gesetz zu retten: Sollte Rot-Grün schon im Bundestag Änderungen aufnehmen, die der Union gefallen?

Da die Union im Moment ohnehin nur taktiert, hielte ich es für richtig, den Entwurf im Wesentlichen so zu belassen, wie er von Rot-Grün gemacht worden ist.

Als Ausländerbeauftragte sprechen Sie viel mit Migranten und deren Vertretern. Wie wird dort diese Feilscherei verfolgt?

Migranten schauen schon sehr genau hin. Es gibt aber eine Differenzierung: Um Flüchtlingsfragen kümmern sich eher die deutschen NGOs. Die Migrantenorganisationen beschäftigt vor allem die Frage, was bedeutet das Gesetz für die Rechte der hier lebenden Ausländer.

Und wie kommt es da an, dass ständig – auch von der SPD – die „Begrenzung“ betont wird?

Das ist nicht wirklich neu für die Migranten. Diese politischen Schlachtbegriffe kennen sie aus der innerdeutschen Debatte.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF

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