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Düsentriebs Nebelpistole

Der Luftmechaniker und Professor Detlev Möller hat ein Aggregat erfunden, das Nebel verschwinden lässt. Sein Einsatz wäre auf Flughäfen, Autobahnen und in Fußballstadien durchaus sinnvoll

von GUNNAR LEUE

Wenn in China ein Sack Reis umfällt, interessiert das in Deutschland bekanntlich kaum. Ähnlich verhält es sich mit der Meldung, dass jetzt in Peking die größte Werbetafel der Welt wieder abgebaut wird. Die Reklamefläche von der Größe dreier Fußballfelder hatte in drei Jahren nie ein Plakat getragen, weil sie permanent in Nebel eingehüllt war. Ganz anders aber ist das Interesse hierzulande, wenn es um Fußball geht. Wenn in der Champions League ein Tor umfällt – wie 1998 in Madrid beim Spiel zwischen Dortmund und Real geschehen – ist das einen Fernsehpreis für die Reporter des Spielausfalls wert. Auch als sich vor kurzem der Nebel in das Turiner Stadion delle Alpi legte, war die Aufregung groß. Gleich zweimal fiel das Champions-League-Spiel Juventus gegen Bayer Leverkusen aus. Am Ende hatten alle Beteiligten verloren: Die Bayer-Elf die Wiederwiederholungspartie mit 0:4, die Turiner an Image. Und für RTL war die nebulöse Sache ebenfalls ärgerlich, da der „Nebel des Grauens“ (Jauch) den Sender zwang, die Prime Time mit quotenabträglichem Material zu füllen.

Doch auch in Deutschland sind Nebelspiele kein unbekanntes Phänomen. 1999 fand in Berlin die legendäre Champions-League-Partie zwischen Hertha und dem FC Barcelona statt. Das Geisterspiel endete für die Berliner zwar erfreulicherweise 1:1, war aber trotzdem ärgerlich für die 70.000 Zuschauer im Olympiastadion und die Millionen an den Fernsehgeräten. Die nämlich sahen so gut wie nichts.

Dabei gibt es in Berlin einen Mann, der Berichte solcher Pleiten-Pech-und-Pannen-Ereignisse sammelt. Damit möchte er Unternehmern verdeutlichen, welche Verluste Nebel ihnen verursachen kann – und das wiederum soll ihm helfen, seine Erfindung zu vermarkten. Der Mann heißt Detlev Möller, ist Luftmechaniker und Professor an der Technischen Universität Cottbus – und hat eine Nebelvernichtungsmaschine erfunden. Das klingt ein bisschen nach Daniel Düsentrieb, ist jedoch eine überaus sinnvolle Sache. Denn Nebel ist ein Ärgernis von wirtschaftlicher Dimension und verursacht weit schlimmere Tragödien als ausgefallene Fußballspiele. Im Oktober stießen auf dem Mailänder Flughafen zwei Maschinen im Nebel zusammen, wobei über 100 Menschen zu Tode kamen; auch auf Autobahnen gehören Nebelwände zu den häufigsten Unfallursachen.

Laut Professor Möller gibt es bis heute kein preiswertes, umweltfreundliches Verfahren zur Nebelvernichtung. Besser gesagt: Es gab keines – bis er ein eines entwickelt hat und patentieren hat lassen, bei dem der Nebel, vereinfacht ausgedrückt, mit einer überdimensionierten Druckpistole weggeschossen wird. Mit Ultraschallgeschwindigkeit werden Trockeneisteilchen in den Nebel geblasen, die je nach Außentemperatur Eiskristalle oder Wassertropfen bilden. In weniger als drei Minuten kann ein Fußballfeld so nebelfrei gemacht werden, übrig bleibt einzig ein bisschen Tau auf dem Rasen. Möllers Verfahren wurde übrigens mit einem zweiten Platz bei einem renommierten Start-up-Wettbewerb ausgezeichnet und auf den Flughäfen Drewitz (Brandenburg) und München erfolgreich getestet.

Das Problem allerdings ist die Produktion: Eigentlich sollten die ersten Maschinen bereits auf dem Markt sein, denn die vom Professor und zwei Kollegen gegründete Firma „Weather Technology“ im brandenburgischen Teltow hatte bereits Kontakte zu italienischen Investoren, die sich nach dem Einbruch des Neuen Marktes allerdings wieder zurückzogen. Deshalb hat sich der Bau des Prototyps (Kosten rund 300.000 Mark) verzögert und wird jetzt mit einer Spezialfirma in Wittenberg durchgeführt. Wahrscheinlich hätte dieses Aggregat die Partie in Turin aber auch nicht gerettet, denn es vertreibt nur Kaltnebel bei Temperaturen von knapp über null Grad. Für Warmnebel hat der Forscher ein ähnliches Verfahren entwickelt und patentiert, das demnächst erprobt wird.

Professor Möller glaubt, dass nach den jüngsten Nebelunglücken und nicht zuletzt auch nach der spektakulären Fußballpleite in Turin das Interesse an seiner einmaligen Technologie steigen wird. Zwar ist das Nebelvernichtungsaggregat in erster Linie für Verkehrsknotenpunkte wie Flughäfen und Autobahnen gedacht, aber der Berliner kann sich auch einen Einsatz in Fußballstadien gut vorstellen. Wegen des relativ hohen Preises von über einer halben Million Mark dürfte sich der Kauf für einen Fußballverein zwar kaum lohnen, aber eine Ausleihe des mobilen, rund einen Kubikmeter großen Aggregats wäre möglicherweise eine Alternative. „Es würde sich vielleicht auch für mehrere Vereine in einer Region anbieten, schließlich kann es schnell in die Stadien transportiert werden“, sagt Möller. Über die doppelte Spielabsage in Turin hat sich der Professor jedenfalls gefreut. Jetzt wissen wieder ein paar Leute mehr, auf welch nebulöse Weise ihr Geld verschwinden kann.

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