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Säbelrasseln im Himalaya

Nach der Attacke auf das indische Parlament und Gefechten in Kaschmir hält sich Premier Vajpayee alle „Optionen offen“

von SVEN HANSEN

Indische und pakistanische Truppen haben sich gestern an der Waffenstillstandslinie im geteilten Kaschmir einen nächtlichen Schusswechsel geliefert. Nach pakistanischen Angaben gab es dabei drei Verletzte. Bereits am Tag zuvor hatte es dort heftige Artilleriegefechte gegeben, berichtete gestern die in Delhi erscheinende Hindustan Times. In Indien seien vier Dörfer evakuiert worden. Ein Armeesprecher beschuldigte Pakistan, die Gefechte begonnen zu haben.

Die Atomstaaten Indien und Pakistan werfen sich gegenseitig vor, ihre Truppen an der Waffenstillstandslinie zu verstärken. Schießereien sind dort zwar fast alltäglich. Doch jetzt wachsen die Sorgen vor einem neuen Krieg, weil seit dem Terrorangriff auf das indische Parlament vor einer Woche viele Inder eine militärische Reaktion ihrer Regierung fordern, die Pakistan für den Anschlag verantwortlich machte.

Die Regierung in Delhi ließ gestern weiter offen, wie sie auf den Anschlag reagieren will, bei dem einschließlich der fünf Atttentäter 13 Menschen starben. Regierungsvertreter hatten den Anschlag den aus Pakistan operierenden islamistischen Separatistengruppen Laschkar e-Taiba und Jaisch e-Mohammed zugeschrieben. Für deren Aktivitäten machen sie den pakistanischen Geheimdienst verantwortlich. „Wir versuchen, das Problem über diplomatische Kanäle zu lösen“, sagte Premierminister Atal Behari Vajpayee gestern vor dem Parlament: „Andere Optionen stehen uns offen, und wir werden sie vor einer Entscheidung sorgfältig prüfen.“ Der Premier wies zugleich internationale Aufrufe zur Zurückhaltung zurück. Indien habe den „Gipfel der Toleranz“ erreicht, sagte er. „Diejenigen, die uns zur Zurückhaltung auffordern, sollten uns auch eine Lösung anbieten.“

Der Sprecher von Vajpayees hindu-nationalistischer Partei BJP sagte, die USA hätten kein Recht, Indien zu sagen, wie es handeln solle. Die USA würden mit zweierlei Maß messen, wenn es um den Kampf gegen den Terrorismus gehe. Die indische Regierung lehnte bereits ein Angebot Pakistans ab, den Anschlag gemeinsam zu untersuchen – Pakistans Regierung will Beweise sehen, bevor sie gegen die beiden von Indien beschuldigten Gruppen vorgeht.

Wie bis zum September die Taliban in Afghanistan hatte der pakistanische Geheimdienst bisher auch die von Pakistan aus operierenden kaschmirischen Separatisten unterstützt. Doch während Pakistans Militärmachthaber Pervez Muscharraf den Taliban nach den Terrorangriffen in den USA vom 11. September die Unterstützung entziehen konnte, wird er im Kaschmirkonflikt mit Indien nicht so leicht nachgeben können. Denn die Kaschmirfrage berührt das Selbstverständnis als islamische Nation, die aus der Teilung Britsch-Indiens hervorgegangen ist und sich um das überwiegend muslimische Kaschmir betrogen fühlt. Wenn Muscharraf die in Pakistan so genannten „Freiheitskämpfer“ plötzlich als Terroristen behandelt, wird dies seine Glaubwürdigkeit beschädigen.

Für Indien würde ein Angriff auf Basen der Islamisten in Pakistan nicht nur das Risiko einer Eskalation bis zum Atomkrieg bedeuten, sondern auch einen neuen Schulterschluss zwischen Muscharraf und den Islamisten. Daran kann Delhi jedoch nicht gelegen sein.

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