piwik no script img

Legende im Sandkasten

Dank unermüdlicher Promotion durch Stars wie Eric Cantona gewinnt Beachsoccer an Popularität. Bei der EM im Februar wird in Barcelona auch ein deutsches Team nach dem sandigen Ball treten

von CHRISTO FÖRSTER

Unermüdlich versucht der Kerl mit dem Dreitagebart, sich Platz zu verschaffen. Da vorne, direkt vor dem gegnerischen Tor, ist der Raum eng und die Luft dünn. Der tiefe Sand lässt die kräftigen Beine bei jedem Schritt gnadenlos versinken. Dann, plötzlich und wie aus dem Lehrbuch, geht alles ganz schnell. Halbhohes Anspiel, kurz auf der Brust abtropfen lassen, Seitfallzieher und schon zappelt das Leder im Netz. Genau wie früher.

Der Mann, der hier die ganze Unberechenbarkeit einer jungen Sportart demonstriert, ist 35 und eine lebende Legende. Sein Name: Eric Cantona. Als der exzentrische Star vor knapp fünf Jahren seinen Abschied von Manchester United und damit vom Profifußball verkündete, war das keine Abkehr von der Liebe zum Spiel. Im Gegenteil. Schon kurz darauf absolvierte der Franzose seine ersten Partien im Sand. Heute gilt sein Engagement als Hauptgrund für den Aufwind, den der europäische Beachsoccer in den letzten Jahren erfahren hat.

Eine breite Öffentlichkeit lässt sich nur mit großen Namen mobilisieren. Die European Pro Beachsoccer League (EPBSL), die 1998 ins Leben gerufen wurde, hat die Zeichen der Zeit erkannt und neben Eric Cantona gleich eine ganze Reihe ehemaliger Stars aufzubieten. Die Spanier Julio Salinas und Emilio Butragueño, Italiens Daniele Massaro, aber auch Alain Sutter vom Liganeuling Schweiz sind nur einige. Darüber hinaus wächst im Schatten der großen Namen eine ganze Generation von jungen, talentierten Spielern heran.

Überhaupt, die Szene boomt. Allein in diesem Jahr haben mit Irland, England und der Schweiz drei Nationen ihren Einstand in der europäischen Liga gegeben und ziehen jetzt mit von Turnier zu Turnier. In Tschechien ist man dabei, eine riesige Beachsoccer-Anlage zu errichten, ebenso im fußballverrückten Kroatien. In Portugal, in Spanien und auch in Frankreich haben sich bereits eigenständige Beachsoccer-Verbände gegründet, die in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Fußball-Dachverbänden auch eine umfassende Talentförderung betreiben.

In Deutschland blickt Marcus Högner, Exprofi bei Alemannia Aachen und jetzt Spielertrainer des Beachsoccer Team Germany, eher nachdenklich in die Zukunft: „Gerade zurzeit entscheidet sich viel, das ist eine Aufbruchphase. Wir dürfen in keinem Fall den Anschluss verpassen.“ Mit einer zusammengewürfelten No-Name-Truppe reist er zu den großen Turnieren und hat es geschafft, die Mannschaft im Kreis der Cantonas und Butragueños zu etablieren. „Was uns fehlt, sind aber einfach die Namen“, sagt „Högi“ und weist auf den daraus resultierenden Teufelskreis hin: „Keine Stars, kein öffentliches Interesse, keine Sponsoren, kein Geld und damit auch wieder keine Stars.“ Der Coach klingt, als stünde er kurz vor der Resignation.

Es ist gar nicht lange her, da durchwühlte Högner noch gemeinsam mit den Rummenigge-Brüdern, mit Hansi Müller und Uwe Bein den gegnerischen Sand. Michael Rummenigge habe sich dann von der offiziellen Serie abgekapselt, die alten Kumpel wie Bein und Müller mitgenommen und seine guten geschäftlichen Beziehungen spielen lassen, erklärt Högner. Jetzt verdiene Rummenigge zwar mit der eigenen Fun-Serie jede Menge Geld, von der offiziellen Liga wolle er jedoch nichts mehr wissen. „Der wirtschaftet nur noch in die eigene Tasche“, vermutet der sitzen gelassene Högner.

Dass dem Team Germany seitdem nicht nur zugkräftige Namen, sondern auch Sponsoren fehlen, könnte langfristig zum Zerfall der Mannschaft führen. Im Februar steht die Europameisterschaft in Barcelona auf dem Programm.

Und während das Gros der Teams schon lange täglich übt, nahmen die Deutschen erst kürzlich das Training auf. Einmal die Woche. Für mehr reiche das Geld nicht, versichert Högner, die Platzmiete sei zu hoch. Um trotz alledem dranzubleiben, hoffen die Verantwortlichen auf die Unterstützung der EPBSL. Bislang zahlt die auch die Miete für die Halle im Winter. Högners Jungs werden von der großen Beachsoccer-Gemeinde geschätzt. „Die Deutschen haben sich viel Respekt verschafft. Es wäre schön, wenn sie dabei blieben“, brachte Cantona erst vor kurzem seine Anerkennung zum Ausdruck. Im Januar ist das Team Germany sogar von dem Franzosen und seinen Mannschaftskollegen nach Lyon eingeladen. Zum Trainingsturnier.

Da der Deutsche Fußballbund (DFB), der das Potenzial einer international mittlerweile etablierten Trendsportart offenbar nicht erkennt, zu keiner Zusammenarbeit bereit ist, wird es wohl zunächst bei der sehr geringen finanziellen Unterstützung durch die EPBSL bleiben. Fast sicher scheint dagegen, dass Beachsoccer schon in nächster Zukunft im Rahmen eines Demonstrationswettbewerbes Olympialuft schnuppern darf. Dafür will Spaniens König Juan Carlos sorgen. Seit der fußballverliebte Monarch Schirmherr der EPBSL ist, macht sich dort niemand mehr Sorgen um die sportpolitische Zukunft. Bleibt abzuwarten, ob Deutschland mit der allgemeinen Entwicklung Schritt halten kann. Denn bei allem Respekt, Cantona wird seine Tore auch ohne das Team Germany machen. Und zwar genau so schön wie früher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen